Spannender als Michael Moore

Der Arte-Themenabend „War sells! Die Kriegsgeschäfte der USA“ (ab 20.45 Uhr) verstört mit der Doku „Why we fight“

„Why we fight“ macht es sich nicht leicht. Zu Beginn des Dokumentarfilms mahnt Dwight. D Eisenhower in seiner Abschiedsrede von 1961 vor dem gefährlichen Einfluss von Militär und Industrie auf die US-Politik. Anschließend versucht der US-Dokufilmer Eugene Jarecki, das besondere Verhältnis der USA zu militärischen Interventionen bis zum Irakkrieg zu analysieren.

Wo Michael Moore sich auf moralinsaure Pseudoaufdeckung beschränkt und auch deutsche Medien gerne antiamerikanische Ressentiments bedienen, versucht Jarecki, Strukturen zu schildern, die jenseits des Atlantiks Unglauben hervorrufen mögen, ohne die aber eine Bewertung von US-Außenpolitik nicht möglich ist.

„Why we fight“ hieß im Zweiten Weltkrieg eine patriotische Propaganda-Filmreihe von Frank Capra. Eugene Jarecki verwendet viele beeindruckende Aufnahmen von damals. Er liefert keine neuen Erkenntnisse, aber er entwirft ein in dieser Komplexität ungesehenes Gesamtbild eines Landes im Krieg. Involvierte und Kritiker von John McCain bis Gore Vidal kommen zu Wort, aber Jarecki findet auch die Geschichten hinter den einfachen Protagonisten des Militärapparats: eine Waffenentwicklerin, die als junges Mädchen aus Vietnam floh, oder die beiden Kampfpiloten, welche die ersten Bomben auf Bagdad warfen. Und dann ist da auch noch ein Polizist aus New York, der seinen Sohn im World Trade Center verlor und Rache schwor. Er ließ den Namen seines Kindes auf eine Bombe schreiben, die über dem Irak abgeworfen wurde. Nun, beklagt er, fühle er sich vom Präsidenten betrogen und schäme sich für seinen blinden Hass.

Hier allerdings verzichtet „Why we fight“, der auf dem Sundance Festival ausgezeichnet wurde, nicht auf Rührseligkeit und dramatische Hintergrundmusik. Offenbar kommen Filme über amerikanischen Irrsinn nicht ohne eigenen Pathos aus. Doch man verzeiht es Jarecki, schließlich klagt er nicht an, führt nicht vor, sondern erklärt – und zeigt eine verstörend-spannende Collage, die verdeutlicht, dass die Kenntnis, die hierzulande das USA-Bild prägt, eine trügerische ist, und dass es im Irak eben nicht nur um Öl geht.

PATRICK BAUER