Gegen billigen Sprit

Auf der Suche nach der Begeisterung: Am Wochenende begab sich Verbraucherministerin Renate Künast in die schleswig-holsteinische Provinz, um dem Grünen-Wahlkampf einen Kick zu geben

Aus ElmshornEsther Geißlinger

Rainer Narske fühlt sich, als warte er aufs Christkind. Das heißt in diesem Fall Renate Künast, ist grüne Verbraucherministerin und soll ein wenig Pep in den Wahlkampf bringen. Denn der, seufzt Narske, liefe einfach lau.

In der Eingangshalle der Elmshorner Bismarckschule haben die Grünen einen Tisch aufgebaut, an dem der Parteinachwuchs ökologisch wertvolle Getränke verkauft und grüne Ballons verteilt, aber das Interesse der Gäste hält sich in Grenzen – ebenso wie ihre Zahl. In der Aula im zweiten Stock bleiben viele Plätze leer. Vielleicht, überlegt Narske, habe es auch mit den Themen des Wahlkampfes zu tun: Die Bildungsfrage, von allen Parteien kontrovers diskutiert, „zündet emotional nicht“. An das eigentlich heiße Thema Arbeitslosigkeit traue sich keiner heran. Auch die Grünen nicht. „Natürlich weil wir in Land und Bund in der Regierung sitzen, das muss man ganz wertfrei sagen. Da sind die Grünen nicht so mutig, wie sie scheinen.“

Rainer Narske, ein kleiner Mann im krumpeligen Jackett, schaut traurig drein und wartet weiter auf die Ministerin, während oben in der Aula Leute vom Fairen Handel, Ökomarkt und aus der Landwirtschaft über die Gefahren der Gentechnik in der Landwirtschaft debattieren. Die Mikros sind falsch eingestellt, sie knacken und pfeifen.

Die Grünen schicken, wie alle Parteien, ihre Prominenz in die Pampa: Vorsitzende Claudia Roth tourte am Wochenende über die nordfriesischen Inseln, ein Termin in Husum fand allerdings nicht statt – vielleicht aus Furcht, wütende Eiderstedter Landwirte könnten die Veranstaltung stören. Stattdessen sprach Roth bei einem Empfang der Aids-Hilfe Sylt. Künast bewältigt ein ähnlich spannendes Programm in aufregenden locations wie der Bismarckschule.

Künast ist ein bisschen zu klein für das Rednerpult auf der Schulbühne, aber sie dreht rhetorisch auf. Ihr Thema heißt Peter Harry – sie nennt ihn konsequent so: „Ich kenne ihn ja aus dem Bundestag, und in Bayern kann ich über den nicht reden, da kennt ihn keiner.“ Sie zerpflückt die Argumente des CDU-Spitzenkandidaten Carstensen, beispielsweise über gentechnisch veränderte Lebensmittel und Atomenergie. Sie sagt, dass 20. Jahrhundert sei das Jahrhundert des Erdöls gewesen, das 21. werde das der Pflanze, der nachwachsenden Rohstoffe. Sie verspricht, den „Agrardiesel“ abzuschaffen, jene Subvention für Landwirte, die billigen Sprit für ihre Trecker und ihre weißen Mercedesse kaufen können, und erhält dafür begeisterten Beifall. Sie verspricht, andere Subventionen wie die Pendlerpauschale und die Eigenheimzulage abzubauen, und erntet Schweigen – nach Elmshorn, der Speckgürtelstadt, ziehen Menschen, die hier billig wohnen und zur Arbeit nach Hamburg fahren wollen.

Zum Abschluss wird sie mit Ökoapfelsaft und Blumen beschenkt, und das Publikum geht, obwohl die Schülerband auf dem Podium gerne noch singen will. Rainer Narske meint, dass es wohl reichen werde bei der Wahl. Denn auch, was Peter Harry Carstensen so sage, begeistere die Menschen nicht. Es ist eine schwierige Sache, so ein Wahlkampf in der Provinz.