Überwiegend optimistisch

Die Flut zerstörte die „schönste Bucht der Welt“. Die Aufbauarbeiten in Ko Phi Phi und anderswo in Thailand sind in vollem Gange. Schon im November soll Phi Phi schöner und sicherer als vorher sein

VON ANDREAS LESTI

Vom Paradies ist nichts übrig geblieben. Keine Palmen. Keine Bungalows. Kein Strand. Ko Phi Phi, die Insel, die bekannt wurde durch den Film „The Beach“, hat die Welle am 26. Dezember 2004 komplett zerstört. Vier Wochen später sieht es auf Ko Phi Phi noch immer aus, als hätte hier ein Krieg getobt. Schutt, Sand und Schlamm bedecken eingestürzte Bungalows. Boote klemmen in Hotelzimmern, Strommasten liegen quer über den Trümmern, und große Teile der früher mit Hotelanlagen, Restaurants und Shops bebauten Landzunge sind einfach weg. Sogar die Palmen hat die Welle abrasiert. Ein aufgeweichtes CD-Cover der „Chill-out-Lounge“, ein rotes Spaghetti-Träger-Top mit Preisschild, 300 Bath, ein rosafarbenes Bikinioberteil, ein Vietnam-Reiseführer, ein Muschelarmband, eine einzelne Flosse, eine Dose Sonnencreme. All das liegt jetzt im Schutt dieses Weges, der kaum mehr als solcher zu erkennen ist. Symbole eines Urlaubs, die zu Ko Phi Phi gehörten wie die Rucksäcke zu den Individualtouristen, die auf dieser Insel ihr Glück gefunden hatten.

Vor der ehemaligen Tauchschule räumt Georg Kereit das Schild mit der Aufschrift „Tauchen komplett auf deutsch – Gönn dir den Spaß!“ zur Seite. Er ist Schweizer und hat auf Ko Phi Phi als „Divemaster“ gearbeitet. „Ich hatte Glück“, erzählt er. Am 26. Dezember sei er mit den Kunden um zehn Uhr schon draußen gewesen – an einem Riff einige Kilometer vor Ko Phi Phi. „Wir wurden plötzlich fünfzehn Sekunden lang wie in einem Fluss am Riff entlanggezogen. Ich habe sofort gemerkt: Irgendwas stimmt hier nicht, und bin mit den Teilnehmern hoch.“ Alle haben es zurück ins Boot geschafft und die Flutwelle dort unverletzt überstanden. Jetzt ist Georg Kereit zurückgekommen, hilft beim Aufräumen und sucht in der Tauchschule nach ein paar Kleinigkeiten, die die Welle vielleicht nicht mitgerissen hat.

Was wird aus Ko Phi Phi? Kereit überlegt, schaut in die Trümmerlandschaft. „Auch wenn es jetzt nicht so aussieht: Ich glaube, in der nächsten Saison wird es hier wieder Touristen geben.“ Keiner hier scheint den geringsten Zweifel daran zu haben, dass Phi Phi bald wieder das Paradies sein wird, das es einmal war. Nicht mal einen Sturm würde man dieser „The Beach“-Kulisse zutrauen. Der Film mit Leonardo DiCaprio wurde 1999 hier gedreht. Die ideale Werbung für die Insel, die seitdem jährlich mehr Touristen aufgenommen hatte.

David Campbell geht kopfschüttelnd am verwüsteten Strand entlang. „Hier habe ich gewohnt“, sagt er und deutet auf das Cabana-Hotel. Angestellte entfernen gerade den Schlamm aus dem Swimmingpool. Campbell ist aus Kalifornien nach Thailand gekommen, um als „volunteer“ zu helfen. Nachdem es auf Phuket nicht mehr viel zu tun gab, ist er weiter nach Phi Phi gefahren.

Der Tennisplatz neben dem Hotel dient nun als Helikopter-Landeplatz und das dahinter liegende Maya-Restaurant, eines der wenigen noch intakten Gebäude, als Krisenzentrale. Oben im Restaurant koordiniert Paniehponpon Cheye, der Vizegouverneur der Region Krabi, die Aufräumarbeiten. Er sagt völlig überzeugt: „Sie werden sehen: Im November ist Phi Phi wieder aufgebaut – und zwar schöner und sicherer als vorher.“ Man werde solidere Gebäude bauen und einen Platz in der Mitte der Bucht als Grünfläche einplanen. Außerdem werde noch im Sommer ein Hotel mit hundert Zimmern oben in der Nähe des Aussichtspunkts eröffnet.

Schräg hinter Cheye steht die Tafel mit der Auflistung der Opfer und Vermissten. Darauf steht, dass auf Ko Phi Phi 693 Menschen ums Leben gekommen sind. Und noch erschreckender ist die Zahl der Vermissten: 747, davon sind 378 Ausländer. Cheye kennt die furchtbaren Zahlen genau. Und als wollte er sagen: „Seht, es gibt Hoffnung“, erzählt er seine persönliche Flutgeschichte, diese erstaunliche Geschichte am Rande der Katastrophe: „Fünf Minuten nachdem die Welle in Phuket ankam, bin ich darüber informiert worden. Da wusste ich, dass ich noch zehn Minuten habe, um die Leute in den Buchten von Krabi zu warnen.“ Er habe sofort bei der Polizei angerufen und die Evakuierung der Strände angeordnet. Mit Erfolg. Ihn, den Vizegouverneur, nahm die Polizei ernst. In der Ao-Nang-Bucht ist kein Mensch gestorben. „Um Phi Phi warnen zu können, kam der Anruf fünf Minuten zu spät.“

Der Chinese George Lee betreibt seit zwei Jahren das „View Point Restaurant“ oben auf dem Aussichtspunkt. Er hat geöffnet, obwohl er weiß, dass niemand kommen wird. „Es war ein Tag wie heute und dann hörte ich so ein Geräusch, wie ein Flugzeug. Ich dachte, der CD-Player wäre kaputt.“ Was er gehört hatte, war die heranrollende Welle. „Als ich dann hinunterschaute, sah ich nur noch Wasser – das ganze Ton-Sai-Dorf war überflutet, und ich wusste überhaupt nicht, was passiert war.“ Schon bald kamen hunderte Touristen und Einheimische herauf. „Die Leute hatten Angst, viele haben die Nacht hier oben verbracht.“ Für das, was George Lee später unten im Dorf gesehen hat, gibt es keine Worte. Er erzählt nur, dass die Antwort auf Fragen nach seinen Freunden immer dieselbe war: „Nein.“ Doch auch bei ihm überwiegt der Optimismus: „Es ist ja nicht alles kaputt. Im November kommen die Touristen schon zurück.“ Und mit ihnen die 3.000 Bath, die sie bei jedem Sonnenuntergang bei ihm gelassen haben.

Zwei Touristen sind schon jetzt nach Ko Phi Phi zurückgekehrt, ins Holiday Inn. Das Resort hat 77 Bungalows und ist im Januar für gewöhnlich ausgebucht. Jetzt sind Hannelore Goetzin und Manfred Kribus aus Duisburg die einzigen Gäste. Sie wollten nicht auf ihren Urlaub verzichten. „Wir machen seit neun Jahren im Januar hier Urlaub.“ Sie haben im Holiday Inn angerufen, erfahren, dass dort nichts passiert ist, und einen Linienflug nach Phuket gebucht. Jetzt sitzen sie am Strand und trinken ein Shinga- Bier. Die einzigen Gäste des Hotels sagen: „So allein waren wir im Urlaub noch nie.

Phuket und Krabi: Auf Thailands größter Insel und dem Küstenstreifen der Region Krabi normalisiert sich die Lage zunehmend. Rund 75 Prozent aller Hotels haben bereits wieder geöffnet. Auf Phuket sind nur noch an den Weststränden Patong und Kamala deutliche Spuren der Katastrophe zu sehen.Ko Phi Phi und Khao Lak: In den beiden schwer von der Flut getroffenen Gebieten dauern die Aufräumarbeiten noch an. In Khao Lak wurden fünfzig Hotelanlagen komplett zerstört. Deshalb ist dringend von Reisen dorthin abzuraten. www.phuket.com, www.phukettou rist.com, www.thailandtourismus.de