GEGEN MÄCHTIGE STAATEN LÄUFT DAS VÖLKERRECHT INS LEERE
: Kein Kraut gegen die USA

Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Mit dieser Art von Strafverfolgung scheint Generalbundesanwalt Kay Nehm zufrieden zu sein. Er hat gestern Ermittlungen gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und andere Militärgrößen wegen der Foltervorfälle in Abu Ghraib abgelehnt. Die USA seien durchaus willig, die Vorwürfe zu untersuchen, so Nehm, schließlich seien schon einige Soldaten angeklagt und verurteilt worden.

So aber war das nicht gedacht. Kay Nehm hat die Grundgedanken des deutschen Völkerstrafgesetzbuchs auf den Kopf gestellt. Die internationale Strafjustiz sollte gerade die Kriminalität der Mächtigen aufklären und aburteilen, weil diese bei sich zu Hause eben nichts zu fürchten haben. Die Schreibtischtäter an den Schalthebeln der Macht sollten sich nicht auf Straflosigkeit verlassen können. Doch wenn es nach Kay Nehm geht, kann sich ein aufklärungsunwilliger Staat leicht aus der Affäre ziehen. Er muss nur einige unterrangige Bauernopfer vor Gericht stellen, dann haben die eigentlich Verantwortlichen nichts mehr zu befürchten.

Wieder einmal zeigt sich damit, dass die internationale Strafjustiz gegen mächtige Staaten wie die USA ins Leere läuft. Die US-Regierung kann den Strafgerichtshof in Den Haag boykottieren und sogar diplomatisch bekämpfen. Und kein Staat der Erde wird es derzeit wagen, ernsthaft gegen US-Offizielle vorzugehen. Insofern kommt die Weigerung Kay Nehms, zumindest zu ermitteln, nicht überraschend.

Die Aufnahme von Ermittlungen hätte das Dilemma aber nicht beseitigt. Sie hätte die Unmöglichkeit, die US-Gewaltigen an den Maßstäben des Rechts zu messen, am Ende nur noch deutlicher gemacht. Was sollen Ermittlungen, wenn ein deutscher Strafprozess gegen Rumsfeld letztlich doch undenkbar ist? Deshalb kann man nur hoffen, dass es in den USA selbst zu einem Umdenken gegen völkerrechtswidrige Kriege und Kriegsmethoden kommt. Völlig ausgeschlossen ist das nicht.

CHRISTIAN RATH