Die Königin seines Herzens

Prinz Charles und Camilla heiraten. Endlich. Sturheit und Liebe haben die Allianz aus missgünstigen Verwandten, höhnischer Presse und Verteidigern der Konvention besiegt

VON MATTHIAS HEINE

Es war ein schlechter Tag für die Bäume. Denn gestern gab der britische Thronfolger Prinz Charles bekannt, er wolle am 8. April in der Saint-George's-Kapelle auf Schloss Windsor Castle seine langjährige Geliebte Camilla Parker Bowles heiraten. Der dadurch entstehende zusätzliche Papierbedarf der britischen und internationalen Boulevardpresse wird wohl nur durch das Abholzen von Waldgebieten in der Größe Kanadas zu stillen sein. Mehrere kleinere Forste waren in den letzten Jahren schon vernichtet worden, um die zahlreichen Dementis zu drucken, mit denen Camilla und Charles bisher immer wieder alle Ehegerüchte verneint hatten.

Eine Affäre mit Tradition

Mögen die Wälder auch Trauer tragen – für die etwa acht Milliarden Menschen weltweit, die immer noch an die wahren lebenslangen großen Gefühle glauben, ist die Verkündung des Hochzeitstermins eine gute Nachricht. Denn das royale Happy End beweist, dass man mit Sturheit und Liebe sogar einer Allianz aus missgünstigen Verwandten, höhnischer Presse und Verteidigern der Konvention trotzen kann.

Allerdings dauerte das fast dreieinhalb Jahrzehnte. 1970 hatten sich der älteste Sohn der britischen Königin Elizabeth und die heute 57-Jährige kennen gelernt. Mit einer zweijährigen Affäre ließen die beiden eine Familientradition wieder aufleben: Schon Camillas Ururgroßmutter hatte ein Techtelmechtel mit Charles' Ahnherrn König Edward VII. Allerdings heiratete Camilla dann trotzdem 1975 den Kavallerieoffizier Andrew Parker Bowles, und Charles ehelichte 1981 die wesentlich jüngere Lady Diana Spencer, die nach ihrem Tode 1997 von der manisch trauernden Weltöffentlichkeit als „Königin der Herzen“ heilig gesprochen wurde. Zwar waren zu diesem Zeitpunkt sowohl Camilla und ihr Herrenreiter als auch Charles und Diana bereits seit einigen Jahren geschieden, doch machte der Unfalltod der bulimischen Prinzessin eine Wiederverheiratung ihres Exmannes zunächst eher unwahrscheinlicher. Dank einer geschickten Pressepolitik hatte sie es nämlich verstanden, sich als Opfer als eines kaltherzigen Gatten zu stilisieren, der eigentlich während der ganzen Verbindung am liebsten der „Tampon“ von Camilla gewesen wäre – wie der Geheimdienstmitschnitt eines Telefongesprächs mit außerehelichem Geflüster enthüllt hatte. Ein neue Ehe mit dem „Rottweiler“ – diesen liebenswürdigen Spitznamen verpasste die Diana-hörige Fleet Street Camilla – wäre den Briten vorgekommen, als tanze Charles auf dem Grab der holden Toten.

Doch die Zeiten ändern sich. Den meisten Engländern war das hysterische Trauertheater um Diana schon ein Jahr später peinlich. Charles, der bis dahin munter von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen gehüpft war, ließ sich von PR-Profis beraten. Die lange hartnäckig widerstrebende Königin gab ihren hoffnungslosen Widerstand gegen die Liebe des Sohnes allmählich auf und gewährte Camilla endlich sogar Zutritt zum Buckingham-Palast. Dort gewöhnten sich dann auch ihre Enkel William und Harry an Papas Flamme. Und zu guter Letzt räumte auch die anglikanische Church of England, deren Oberhaupt Charles bei einer Thronbesteigung würde, die letzten kirchenjuristischen Hindernisse aus dem Weg: Seit 2002 ist es Geschiedenen nicht mehr verboten, wieder zu heiraten.

Der letzte wahre Brite

Es wäre wahrhaftig auch lächerlich, wenn zuletzt ausgerechnet eine Institution die Hochzeit blockiert hätte, die ihre Gründung einem sieben Mal vermählten Weiberhelden verdankt. Englands notorischer Heinrich VIII. hatte sich mitsamt seinem Land 1535 von Katholizismus losgesagt, weil ihm Papst Leo X. seine Scheidung nicht genehmigen wollte. Zwei spätere Ehefrauen beseitigte der Monarch durch Hinrichtungen. Mit diesem Vorgänger verglichen ist Charles ein harmloser Allerweltsehebrecher. Vor allem aber ist der 56 Jahre alte Öko-Landwirt, Gelegenheitsesoteriker und Kritiker moderner Architektur der letzte wahre Brite – außer ihm dürfte höchstens noch der Schauspieler und Schriftsteller Stephen Fry Anspruch auf diesen Titel erheben können. Engländer wie Charles werden heute nicht mehr hergestellt: Philanthropische Exzentriker mit einem ausgeprägten Gefühl für Fairness, mit Sportsgeist und mit gewaltigen Segelohren, deren Sexleben dank Privatschulerziehung, mütterlicher Gefühlskälte und traditioneller Verklemmtheit geradezu apokalyptisch kompliziert anmutet. Offenbar empfindet er es nicht als Widerspruch, sich für ein „menschliches Maß“ in der Baukunst und für den Erhalt der Natur einzusetzen, aber andererseits das Existenzrecht einzelner Kreaturen offensiv zu verneinen, wenn es das Herkommen verlangt: Charles gehört zu den hartnäckigsten Verteidigern der Fuchsjagd.

Die seltsame Hassliebe des Inselvolks zu seinem künftigen König hat viel mit dessen provokanter Kauzigkeit zu tun. Charles erinnert die Engländer daran, wie sie einmal waren, bevor sie unter dem Druck der Thatcher’schen und Blair’schen Modernisierungswellen ihren Nationalcharakter aufgaben und wurden, was sie heute nur noch sind: Amerikaner mit schlechten Zähnen. Die Tragik der Ehe mit Diana bestand darin, dass die Prinzessin genau jenes vermeintlich moderne, globalisierte Großbritannien verkörperte, in dem Charles so anachronistisch wirkt: Sie ging lieber ins Fitnessstudio als zur Fuchsjagd, und auch ihr Tod brach mit der Tradition hochwohlgeborener Todesarten.

Die einzige nennenswerte europäische Fürstin, die bis dahin ihr Leben bei einem Autounfall ausgehaucht hatte, war nicht zufällig eine angeheiratete Amerikanerin: Grace Kelly von Monaco. Richtige Adelige alten Schlages sterben entweder an Altersschwäche, im Duell, bei Sexunglücken oder sie werden geköpft. Lange wurde Charles eine vage seelische Mitschuld am Tode seiner Exfrau angekreidet. Acht Jahre später hat sich auch in England die Erkenntnis durchgesetzt: Diana starb nicht an gebrochenem Herzen. Und sie fiel auch keiner Verschwörung von Charles, Camilla, dem adeligen Establishment, den internationalen Waffenhändlern und dem Geheimdienst MI 5 zum Opfer. Sie verließ die Welt wie eine Brandenburger Dorfschönheit auf der Diskoheimfahrt: weil sie sich auf der Fahrt mit einem betrunkenen Fahrer nicht angeschnallt hatte.

Vielleicht doch Königin

Die Einsicht in diese traurige Banalität macht es den Briten leichter, sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass Dianas Nachfolgerin einst vielleicht sogar gekrönt wird. Zwar wimmelte die Pressestelle von Charles' Londoner Residenz Clarence House gestern ab: Camilla solle nicht Königin werden, sondern nur den Titel einer Herzogin von Cornwall tragen und später Prinzgemahlin werden. Doch der Historiker und Verfassungsexperte David Starkey gab ein entgegengesetztes Gutachten ab: „Solange kein anderes Gesetz erlassen wird, müsste sie den Rang von Prinz Charles erhalten und am Ende Königin werden.“