„Reaktionäre Demos gibt es schon lange“, sagt Nora Goldenbogen

Die NPD sollte verboten werden, damit sie nicht das Parlament für ihre antidemokratische Propaganda nutzen kann

taz: Frau Goldenbogen, derzeit werfen sich Politiker gegenseitig vor, die NPD groß zu machen. Daneben läuft die Debatte um ein NPD-Verbot weiter. Wie stehen Sie dazu?

Nora Goldenbogen: Ich halte ein Verbot für notwendig, aber das schließt die notwendige gesellschaftliche Auseinandersetzung nicht aus. Im Gegenteil: Sie muss einem Verbot vorangehen. Ein Verbot wäre ein Signal, dass diese Gesellschaft noch Tabus kennt, die es zu beachten gilt. Dass es beispielsweise Grenzen wie Geschichtsfälschung und Verhöhnung von Opfern des Nationalsozialismus gibt, die eine Partei nicht überschreiten darf.

Wenn die NPD verboten wird, löst dies nicht das Problem des Rechtsextremismus.

Dass ein Verbot all unsere Probleme löst, habe ich auch nicht behauptet. Das zeigen auch die Erfahrungen, die wir in der DDR gemacht haben. Aber viele Leute hier denken, dass etwas, das nicht verboten ist, automatisch erlaubt wäre. Dem muss man entgegenwirken. Außerdem darf dieses Verbot natürlich auch nicht alleine stehen, sondern muss Maßnahmen nach sich ziehen, die den Rechtsextremismus nachhaltig bekämpfen.

Aber ein Verbot würde die gerade erst entstandene Debatte um rechtsextremes Gedankengut abwürgen. Finden Sie diese Auseinandersetzung nicht notwendig?

Also die Diskussionen, die es derzeit gibt, sind zum größten Teil verzichtbar – auch ohne Verbot. Alles konzentriert sich nur auf Schlagwörter und einfache Lösungen. Bis ein Verbot zustande käme, vergehen zwei bis drei Jahre. In dieser Zeit könnte mühelos eine tiefere Debatte über Rechtsextremismus geführt werden.

Was nutzt ein Parteiverbot? Den Aufmarsch der Rechten am 13. Februar könnte man so nicht verhindern.

Nein, diese reaktionären Demos gibt es doch schon seit Jahren, normalerweise veranstaltet sie die Landsmannschaft Ostpreußen. Das Verbot der NPD hätte aber einen großen Nutzen für das öffentliche Klima. Dann könnte die NPD nicht im Dresdener Stadtrat fordern, dass fremde Gotteshäuser verschwinden sollen, oder gegen Kontingentflüchlinge hetzen. Solche Provokationen sind jetzt öffentliche Forderungen geworden.

Die Parolen der NPD könnten bei vielen BürgerInnen Gehör finden. Sehen sich die Dresdener beispielsweise in erster Linie als Opfer des Zweiten Weltkrieges?

Nein. Was es in Dresden gibt, ist ein manchmal antimoderner Stolz auf und eine Liebe zu dieser Stadt. Das kann schon ziemlich anstrengend sein. Aber die meisten Dresdener wissen, von wo der Krieg ausging.

Sie sprachen eben von Provokationen, die zu öffentlichen Forderungen wurden. Wirkt sich das denn auch aus? Gibt es mehr Gewalt gegen Juden in Dresden?

Leute, die vor Demonstrationen pöbeln, die Wände hier besprühen oder kommen, um zu provozieren, hat es auch schon vor dem großen Auftritt der NPD gegeben. Schon früher hat sich die Junge Landsmannschaft Ostpreußen dabei hervorgetan. Das ist es doch gerade: Die rechte Gewalt in Sachsen gab es schon lange vor der NPD, ihr Erfolg hat es in einigen Gegenden nur verstärkt. Ohnehin gibt es hier keinen weit verbreiteten, gefestigten Antisemitismus, aber es kursieren ein paar Vorurteile, die besonders mit Juden und Geld zu tun haben. Die kann man relativ leicht entkräften, es gibt hier nämlich keine reichen Juden.

Wie nehmen Juden in Israel oder in die USA die Entwicklung wahr?

Ich weiß von starken Befürchtungen. Je weiter man von Deutschland weg ist, desto stärker werden sie. Schlimm wird es immer dann, wenn Juden direkt mit den Rechten konfrontiert werden. Wir machen am Wochenende mit Gästen aus Polen eine Veranstaltung. Da rechne ich selbstverständlich wieder mit Besuch bestimmter Herren.

Fordern Sie denn mehr Schutz oder generell ein härteres Vorgehen der Polizei gegen die Rechten?

Ach, über mangelnden Schutz können wir uns nicht beklagen. Und repressive Mittel bringen keine Lösung.

Sie sprachen von langfristigen Maßnahmen gegen diese Entwicklung. Soll die Politik Initiativen gegen rechts unterstützen? Die CDU befürchtet ja, dass so nur Linksextreme mit Geld versorgt werden.

Sachsen hat kein Problem mit dem Linksextremismus, sondern mit Rechtsradikalen. Dieser Mechanismus der CDU, sofort auf die andere Seite zu zeigen, ist fürchterlich. Es ist doch im Gegenteil so, dass die Linken die Gefahr erkannt haben, während die CDU sie lange geleugnet hat. Und für eine Arbeit gegen rechts wäre mehr Geld für die Initiativen ein notwendiger Schritt. Hier muss langfristig investiert und nicht ab und an mal eine Feuerwehraktion gestartet werden. Und vor allen Dingen darf die Gefahr nicht kleingeredet werden.

Finden Sie denn nicht, dass die derzeitige Pressehysterie die NPD begünstigt?

In einigen Fällen mag das wohl so sein. Jedoch ist die Tatsache, dass die NPD auch mal still ist, kein Grund, nicht über ihre Umtriebe zu berichten. Seitdem über sie berichtet wird, beschäftigen sich die Menschen hier überhaupt erst mit dem Problem. Sie erkennen, wie gefährlich diese Partei ist. Und die Stufe des Verschweigenkönnens ist hier schon lange überschritten. Dafür sind die Rechtsextremen hier zu stark, die verschwinden nicht von alleine. INTERVIEW: DANIEL SCHULZ