Sexy Sparzwang

Heute startet die dritte Staffel der Krimireihe „Abschnitt 40“ (21.15 Uhr, RTL) um den aufregend unspektakulären Alltag von Streifenpolizisten. In den Hauptrollen: Berlin und seine Finanznöte

VON PATRICK BAUER

Der Kopierer streikt. Immer wieder kämpft Polizeihauptkommissar Burrow, ein gemütlicher Amtsstubenveteran, mit der veralteten Technik und flucht. Geld für einen neuen gibt es nicht. Ständig schwebt der Geist von Thilo Sarrazin über dem Alltag des „Abschnitt 40“: Berliner Polizeistellen sind piefig und trist.

Authentizität ist das Entscheidende in den neuen Folgen der RTL-Erfolgsserie. Die Streifenpolizisten des fiktiven Dienstabschnitts irgendwo im sozial gebeutelten Zentrum Berlins sind keine stilisierten Alltagshelden, sie haben nichts gemein mit Hochglanz-Kriminologen, sie sind ganz einfach Beamte. In ihren Spinden stehen abgelatschte Turnschuhe, über ihrem Schreibtisch hängen Plakate der Polizei-Gewerkschaft, und sie trinken schlechten Filterkaffee.

Der Anspruch, diese Überstunden-Realität möglichst unaufgeregt darzustellen, bescherte Abschnitt 40“ im Jahr 2003 den Deutschen Fernsehpreis. Die Ästhetik war bemerkenswert: Mit schlichten, aber eindringlichen Bildern und mutigen Schnitten entstand eine Nähe zum Großstadtrhythmus der Blaulichtfahrer. Auch in den neuen Folgen gibt es einen wahren Protagonisten: die Stadt. Berlin lebt, ohne groß in Szene gesetzt zu werden, wenn die Polizisten vor verschmierten Hauseingängen warten oder in typische Altbauwohnungen gerufen werden. Mit urbanen Impressionen wird nicht gegeizt: der Alexanderplatz, der Dönerladen um die Ecke, der Kiez-Supermarkt von nebenan. Nicht einmal Berlin, Berlin“ gelang es ähnlich stimmig, ein Stadtgefühl zu transportieren.

Das Unmittelbare der Serie zeigt sich auch darin, dass nicht die zu lösenden Fälle die jeweilige Folge bestimmen. Es geht um die Psychologie der Charaktere. Der urige Hauptkommissar Burrow fürchtet, als altes Eisen zu gelten, und Sonja baggert den Kollegen Sebastian an, obwohl doch dessen Frau ein Kind erwartet. Es wird gemobbt und geschuftet, aber nicht lange erklärt. Die Handlung beginnt mitten im Geschehen, nur langsam werden die Geschichten hinter den Rollen offenbar.

Wenn auch nur Nebensache, so geht es natürlich in einer Polizeiserie nicht ohne Polizeieinsätze. Ein Supermarkt wird mit vergifteten Lebensmitteln erpresst, und ein Schüler will sich in Erfurt-Manier an einer Lehrerin rächen. Eigentlich eine Nummer zu groß für die Streifennormalos und etwas zu gewollt mit sozialer Moral und Tragik angereichert. Wohler fühlen sich die herzigen Kiezbullen mit einem ausgesetzten Goldfisch oder beim Aufdecken eines mysteriösen Fluches. Deswegen ist auch das aufdringliche Musikbett unnötig, das der Handlung Rasanz verleihen soll, die diese gar nicht nötig hat. Denn charmant wird der Abschnitt 40“ im Stillstand, wenn das vergerbte Leder der biederen Uniformen fast zu riechen ist, wenn beim Schreibmaschinentippen geraucht und in antiquierte Funkgeräte gerufen wird. Sparzwänge können so schön sein.