Neunauge, sei wachsam!

WESERKRAFTWERK Oberverwaltungsgericht weist Anglerklage gegen Strom-Projekt zurück: Es hält Tierschutzauflagen für erfüllt. Landesfischereiverband will aber weiter streiten

Seit Mai 2008 wird an Flusskilometer 362,153 der Weser das größte norddeutsche Wasserkraftwerk gebaut.

■  Es soll jährlich 42 Millionen Kilowattstunden Strom liefern. Das ist mehr als das Zehnfache einer Festland-Windkraftanlage.

■ Der geplante Eröffnungstermin war Ende 2009. Angepeilt ist jetzt Ende 2010. Die Verzögerung hat zu Vertrags-Streit zwischen Betreiber und Bau-Unternehmen geführt.

■ Das betrifft das Finanzierungsmodell: 51 Prozent der Anteile sollen an Privatpersonen abgegeben werden. Zeichnen können die aber erst, wenn die Baukosten-Kalkulation bestätigt ist.

VON BENNO SCHIRRMEISTER

Das Fischschutzkonzept des Weserkraftwerks entspricht den rechtlichen Anforderungen. Mit dieser Begründung hat das Oberverwaltungsgericht die Klage dreier Sportfischereiverbände gegen das Projekt gestern zurückgewiesen und die behördliche Erlaubnis bestätigt, den Bau noch vor Beendigung des Rechtsstreits zu beginnen. In erster Instanz war der mit gleichem Tenor vor zwei Jahren entschieden worden.

Ein eindeutiges Urteil, ganz ohne Auflagen und entsprechend gegensätzlich fielen auch die Reaktionen aus. „Ich bin froh, dass nun alle juristischen Hürden genommen sind“, verkündete Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne), der seit Amtsantritt die Hemelinger Pläne unterstützt. Bei den Bremer Wasserkraftwerks GmbH am Dobben knallten laut Geschäftsführer Hucky Heck nur deshalb keine Sektkorken, „weil wir gerade keine Flasche kühl gestellt hatten“.

Betroffenheit und Erbitterung dagegen bei den Sportfischern: „Würde man statt des Wasserkraftwerks drei, vier Windräder bauen“, so der Präsident des Landesfischereiverbandes, Rainer Schiller, „bekäme man die gleiche Energiemenge – und kein Fisch müsste sterben.“ Den Streit hält er „auf keinen Fall“ für beendet. „Wir gehen damit vor den Europäischen Gerichtshof und vors Bundesverwaltungsgericht“, kündigt er an. Dort müsste er zunächst einen Anspruch auf Revision des Urteils erstreiten.

Den hat das OVG verneint, weil „unser Urteil nicht von der bisherigen Rechts-Auslegung abweicht“ wie Richter Hans Alexy erläutert. Im Mittelpunkt hatten Sachfragen gestanden – vor allem die, wie viel Flussgetier die Turbine wirklich ansaugt, verletzt oder gar zerhäckelt.

Viel, behaupten die Sportfischer, deren Bundesverband seit zehn Jahren mit der Kampagne „Wasserkraft ist Tierquälerei“ zumal gegen Flusskraftwerke mobilisiert und Broschüren zum Thema „grüner Strom ist blutroter Strom“ vertreibt: Deren Daten stammen hauptsächlich vom Rheinlauf. An dem und dessen Nebenflüssen laufen 2.000 solcher Anlagen. An der Weser sind es bislang sieben, als achtes wird das Hemelinger Projekt laut Heck „bis Mitte-Ende 2010“ den Betrieb aufnehmen, „wenn alles gut geht“. Noch zofft man sich indes mit der Baufirma, „weil die Vorstellungen über die Vergütung auseinander liegen“.

„Wir wissen“, sagt Schiller, „dass jährlich rund 100.000 Fluss-Neunaugen das Hemelinger Weserwehr passieren.“ Er rechne damit, „dass die Hälfte durch die Anlage geschädigt wird“. Vor allem sorge er sich um die Jungtiere, die von den Laichplätzen an der Oberweser kommen. In der neuen Fischtreppe könne er keinen ausreichenden Schutz erkennen: „Die existiert nur als Modell“, sagt er, „ob die funktioniert, kann noch keiner sagen.“

Heck hält die Bedenken der Angler für vorgeschoben. „Dass die ein anerkannter Naturschutz-Verband sind, finde ich ohnehin befremdlich“, sagt er. Aus seiner Sicht diene „denen der Tierschutz als Deckmäntelchen, um als Lobbyvereinigung mehr Einfluss zu bekommen“. Dass sich „Verbände mit umfassendem ökologischem Ansatz“ wie der Nabu und der BUND für die Anlage ausgesprochen haben. „Bei denen“, kontert Schiller den Vorwurf, „hört der Umweltschutz eben mit der Wasseroberfläche auf.“