leserinnenbriefe
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■ betr.: „Dennoch wird viel gelächelt“, taz vom 28. 5. 09

Der Streik war überfällig

Es wurde höchste Zeit, dass sich das pädagogische Personal wenigstens der kommunalen Kindertagesstätten gegen die zunehmend unzumutbaren Bedingungen wehrt, unter denen es arbeiten muss, und es wäre zu hoffen, dass die übrigen Einrichtungen sich dem Streik der Beschäftigten aktiver anschlössen, denn es geht auch um ihre Interessen.

Die Eltern der Kindergartenkinder können in der Regel verstehen, welchen Belastungen die Erzieherinnen ausgesetzt sind und wie sehr die Erwartungen an sie gestiegen sind in den vergangenen Jahren – bei gleichzeitiger Verschlechterung der Situation:

1. Dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab drei Jahren wurde durch eine Vergrößerung der Kindergartengruppen statt Erhöhung der Anzahl der Kindergärten Genüge getan.

2. durch die „Straffung der Organisation“, wobei vor einigen Jahren in NRW ca. 5.000 Stellen für Erzieherinnen gestrichen und die Belastungen auf die übrigen Erzieherinnen abgewälzt wurden, bei gleichzeitigen Vorwürfen unzureichender Qualifikation, für die die Erzieherinnen nicht verantwortlich gemacht werden können, und größeren Anforderungen von Seiten der Gesellschaft wie Sprachförderung für Migrantenkinder und Ausgleich von Sprachdefiziten deutscher Kinder und anderen sozialen Defiziten.

3. trotz der vorgeworfenen mangelhaften Qualifikation bei gleichzeitig neuen zusätzlichen Belastungen, wie die differenzierte Beurteilung der Entwicklung der vielen Kinder in ihren Gruppen, mit denen die Erzieherinnen überfordert sind, da sie kaum die Möglichkeit haben zu dem dafür benötigten Kontakt zu den Kindern.

4. Wie Fehlplanungen hier laufen, sieht man auch daran, dass eine Unmenge Geld zur Verfügung steht für die Förderung von Sprache durch Honorarkräfte, die nur kurz im Kindergarten auftauchen, anstatt die Gruppen klein genug zu halten, dass die Kinder in ihrer Sprachentwicklung im normalen Umgang mit den ihnen vertrauten Bezugspersonen im Kindergartenalltag in ihren Kindergartengruppen unterstützt werden können, wobei die übrigen Kinder durch Beobachtung und Mithören gleich mitlernen.

Im Augenblick werden die Erzieherinnen und Erzieher buchstäblich verheizt, und dies vor allem auch auf Kosten der betroffenen Kinder. Es war interessant zu sehen, wie man sich um Erhalt der Arbeitsplätze bei Opel bemüht und wie die vielen Erzieherinnen etc. vor Jahren einfach „verschwanden“.

Statt Fehlplanungen zu korrigieren, versucht die Politik mit kostenlosem Kindergartenbesuch Stimmen zu fangen. Vielleicht sollte man doch eher an eine bessere personelle Ausgestaltung der Kindergärten bzw. Kindertagesstätten denken und kleinere Gruppen einrichten, es sei denn, man verwechselt die Kindertagesstätten mit Abstellplätzen. Auf jeden Fall muss man wohl verstärkt mit dem Burnout-Syndrom, vielleicht sogar verstärkter Frühinvalidität beim Personal rechnen und mit einem hohen Anteil an sozial auffälligen Kindern. KARIN KNUPE, Dipl.-Psych., Moers

■ betr.: „Kulturkampf von rechts“, taz vom 29. 5. 09

Drei Ebenen vermengt

Die Ungenauigkeit, die in der von Albrecht von Lucke referierten Kurras-Debatte herrscht, wird langsam ärgerlich. Ständig werden drei Ebenen vermengt: Auf der Ebene des objektiven Sachverhalts gibt die Entdeckung der Kurras-Akte tatsächlich Anlass zu einer Neubewertung, die in erster Linie allerdings den Todesschützen selbst betrifft: Wenn er wirklich auf Befehl der Stasi gehandelt hat, war er ein Auftragskiller und wäre dementsprechend zu bestrafen – falls dies mit den verfügbaren Dokumenten überhaupt zu beweisen und ein Verfahren juristisch noch möglich ist.

Eine völlig andere Ebene ist die des subjektiven Wissens der damaligen Beteiligten. Niemand in Westberlin und der Bundesrepublik, außer Herrn Kurras, wusste, dass zwischen dem Tod Benno Ohnesorgs und der Stasi eine Verbindung bestand. Das Handeln der Studenten lässt sich aber nur aus ihrem damaligen Wissensstand heraus beurteilen. Für eine moralische Neuwertung der gesamten 68er-Bewegung ist der 2009 entdeckte Stasi-Plot daher untauglich. Wenn überhaupt, dann müssten Justiz und Springerpresse sich heute fragen, ob ihre Amtsvorgänger sich die Notwehr-Ausrede nicht allzu schnell zu eigen gemacht haben.

Die dritte Ebene ist die der historischen Deutung des Geschehens im Licht der neuen Quellen. Diese Debatte ist offen. Da sie bisher aber vorwiegend kontrafaktisch geführt wird (was wäre gewesen, wenn Ohnesorg nicht erschossen worden wäre?), bewegt sie sich wie jede kontrafaktische Argumentation auf sehr unsicherem Gelände. Nur eins ist gewiss: Wer behauptet, dass „68“ mit dem 2. Juni 1967 steht und fällt, redet einer naiven Ereignisgeschichte das Wort. THOMAS FRANK, Berlin

■ betr.: „Der weiße Fleck“, tazzwei vom 3. 6. 09

Nicht alles unter Kontrolle

unaufgeregt ist gelungen, einfach über die möglichkeiten des radar zu schreiben. schiffe sind ja schließlich in der vergangenheit auch gelegentlich „einfach im meer verschwunden“. das bleibt vielen menschen unheimlich. in der heutigen zeit besonders glauben die menschen alles kontrollieren zu können. diese werden hier nicht bedient. PETER KELCZYNSKI, Hamburg