35.000 Würstchen auf der Grünen Woche

Die Freude am Kauen und Kaufen ist zurück: Auf der weltgrößten Verbrauchermesse gibt jeder Besucher 132 Euro aus

BERLIN taz ■ „Die Kauffreude kehrt zurück“, jubilierte die Centrale Marketing-Gesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft (CMA) angesichts der zum Ende der Grünen Woche unvermeidlichen Bratwurststatistik (35.000 Stück). Für exakt 105 Euro haben die insgesamt 450.000 Durchschnittsbesucher auf der weltgrößten Verbrauchermesse rund um die Nahrung eingekauft und zusätzlich noch für 27 Euro dortselbst konsumiert – macht insgesamt rund 60 Millionen Euro Umsatz, obwohl 20.000 Menschen weniger durch die Hallen walzten als 2004.Was macht es da schon, dass die Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft die CMA-Kampagnen („Und ewig lockt das Fleisch“) als „sexistische Werbesprüche“ brandmarkte oder das neue Konzept von der Bio-City einen eher mickrigen Start hinlegte.

Deutlich leerer als in den traditionellen Fresshallen sei es in der Ökowelt vor allem in den ersten der insgesamt zehn Messetage gewesen, hieß es an den Ständen der Bio-City. Und auch die Halle selbst brach im hinteren Teil einfach ab: Ein gutes Drittel hatte keine Abnehmer gefunden. Noch sechs Wochen vor Messebeginn sei Standfläche in der Biohalle zu haben gewesen, bestätigten Mitarbeiter am Biopark-Stand – für Grüne-Woche-Verhältnisse eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Doch der Bio-Anbauverband aus Mecklenburg-Vorpommern steht selbst für den Trend zum Abschied vom Öko-Ghetto: Immer mehr Bioanbieter ordnen sich in die thematischen oder landsmannschaftlichen Hallen ein, denn hier brummt das Geschäft. Und so hatte eigentlich auch Biopark in die große MeckPomm-Länderschau gewollt, dort war aber kein Platz mehr.

Politisch blieb bei der grünen Woche 2005 alles beim Alten. Bauern-Präsident Gerd Sonnleitner mahnte wieder einmal, die „Tabuisierung der Bio- und Gentechnologie“ sei „kein Zeichen für die Innovationskraft des Standortes Deutschland“, und forderte einen „Perspektivwechsel der deutschen Agrarwirtschaft“: Die Politik solle auf nationale Alleingänge von der Besteuerung von Traktordiesel bis zur Nutztierhaltung verzichten. Lieber sollte sie für „wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen“ auch in Sachen Verbraucherschutz sorgen, sagte Sonnleitner mit Blick auf Agrarministerin Renate Künast (Grüne).

Was er damit garantiert nicht meinte, exerzierte die Umweltschutzorganisation Greenpeace vor: Sie präsentierte eine Verkaufsausstellung mit Milchprodukten von Actimel bis Zottarella, bei denen die Hersteller sich weigern, anzugeben, ob die Tiere mit gentechnisch verändertem Futter versorgt wurden oder nicht (weitere Infos: www.einkaufsnetz.org).

Renate Künast immerhin sicherte dem Bauernstand ihre Unterstützung bei seinem Versuch zu, dass Preisdiktatkartell des Einzelhandels auszuhebeln: Mit der „Geiz-ist-geil-Manie“ müsse Schluss sein, so Künast. Die Biohalle lag übrigens neben dem – ähnlich schwach besuchten – Refugium der Haushaltswarenaussteller. Von dort grüßte ein „Geiz ist geil“-Banner des Elektrokaufhauses Saturn – genau in Richtung Bio-City.

STEFFEN GRIMBERG