Gut und günstig

MUSIKFESTIVAL Das Konzept entsprang finanzieller Not, aber es funktioniert: Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern, die jetzt zum 20. Mal beginnen, haben sich der Förderung junger Musiker verschrieben. Die haben einerseits Talent und sind andererseits kaum bekannt – und daher preiswert zu haben

Die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern präsentieren in diesem Jahr 110 Konzerte an 70 Spielstätten zwischen Hagenow und Ueckermünde. Einige Höhepunkte:

■ Eröffnungskonzert mit Viviane Hagner und dem NDR-Sinfonieorchester: 7. 6., Konzertkirche Neubrandenburg

■ „Zauber der Synagoge“ mit dem Ensemble für Synagogale Musik, Hannover. Moderation und Leitung: Andor Izsák, Direktor des Europäischen Zentrums für Jüdische Musik: 21. 6., Synagoge Schwerin

■ Preisträgerfest: Die Polnische Kammerphilharmonie, das Trio con Brio und das Quatuor Ebène spielen Schnittke, Martinu, Elgar und Beethoven: 18. 7., Festspielscheune Ulrichshusen

■ Picknick-Pferde-Sinfoniekonzert: Picknick, Pferdeshow und Konzert mit Musik aus Oscar-prämierten Filmen: 25. 7., Landgestüt Redefin bei Ludwigslust

alles Weitere: www.festspiele-mv.de

VON PETRA SCHELLEN

Vielleicht liegt es daran, dass die Region so abgelegen ist. Dass sie von den Metropolen aus – und denen, die sich dafür halten – als Konkurrentin kaum in Betracht kommt. Die Rede ist von Mecklenburg-Vorpommern, einem Bundesland, das gemeinhin mit dem Ausbluten, dem Verlust von Bevölkerung assoziiert wird. Das allerdings eben auch – und das überrascht – unbeirrt Musiktalente auffindet und ihnen Muße zum Wachstum gibt.

So in etwa wäre die Idee der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern umschrieben, die am Sonntag zum 20. Mal eröffnet werden. Gedacht war das 1990 gegründete Festival ursprünglich bloß als „kleines Geschwisterchen“ des Schleswig-Holstein Musikfestivals (SHMF), wie Intendant Matthias von Hülsen sagt: „Im Wiedervereinigungsrausch“ habe man mit einem Riesenbudget begonnen, das schon im zweiten Jahr auf ein Fünftel schrumpfte. Inzwischen liegt es bei 3,5 Millionen Euro, von denen 50 Prozent Sponsoren und Stiftungen geben, zehn Prozent der Staat. Den Rest muss die Kasse erwirtschaften. Und in der Tat: Anfangs hatte man an einen schlichten Transfer des SHMF-Konzepts gedacht: Klassik-Künstler sommers in schönen Gebäuden und Landschaften sollten das Publikum zur Landpartie animieren.

Inzwischen ist der Anspruch gewachsen: Zu einer „internationalen Plattform junger Künstler“ habe sich das Festival inzwischen entwickelt, sagt von Hülsen. Immer gezielter habe man nach jungen Musikern gesucht, die inzwischen alljährlich unter dem Label „Junge Elite“ einen Großteil des Festivalprogramms bestreiten. Aus ihnen werden Preisträger gekürt und ein Residenzkünstler für das jeweils folgende Jahr. Ein Konzept, das aufzugehen scheint: Daniel Müller-Schott, Julia Fischer und Daniel Hope sowie – in diesem Jahr – die Geigerin Viviane Hagner wurden Artists in Residence. Sie alle machten auch international Karriere.

Dabei liest sich auch das diesjährige Programm zunächst, als würden diese Residenzkünstler regelrecht verheizt: 13 Konzerte in teils enger Folge wird Viviane Hagner spielen. Von Hülsen sieht darin kein Problem: „Das ist für die Künstler eine Riesenchance, sich in allen Facetten zu präsentieren“, beteuert er. Und weist darauf hin, dass die Preisträger vergangener Jahre immer wieder zurückkämen: Mit dem Preis sei nämlich ein „Recht auf Wiedereinladung“ verbunden. Dazu verpflichtet sei natürlich niemand, sagt von Hülsen: „Ich bin sicher, dass die Künstler sehr gern wiederkommen.“

Ja, Nachwuchsmusiker seien preiswerter, räumt von Hülsen ein. Schließlich sei das Konzept aus einer finanziell „beengten Situation“ heraus entstanden: Und da Debütanten-Gagen beträchtlich unter denen arrivierter Musiker liegen, finden sich von Letzteren denn auch vergleichsweise wenige bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern. Sicher: Die Pianisten Hélène Grimaud und Martin Stadtfeld werden gastieren, Kent Nagano wird dirigieren – aber die Weltstars sind in der Minderzahl.

Die zweite Säule bildet Musik aus Mecklenburg-Vorpommern – was mitnichten provinziell gemeint ist. Dabei geht es nicht nur darum, explizit regionale Orchester zu berücksichtigen. Sondern vor allem um intelligente Themenschwerpunkte: Gerhart Hauptmann widmete man sich 2008, in diesem Jahr ist es jüdische Musik aus Mecklenburg-Vorpommern. Ein auf den ersten Blick disparates Thema, denn einen Ruf als Hort jüdischer Musik hat das Land ja nun wirklich nicht.

Von Hülsen will den Begriff weiter fassen und verweist auf die vielen erhaltenen Synagogen: „Es gibt da wunderbare Gebäude – etwa die ehemaligen Synagogen in Hagenow, in Röbel an der Müritz und in Goldberg.“ Die dienen als Aufführungsorte für die insgesamt neun Konzerte der Reihe, die neben Klezmer auch Werke etwa romantischer jüdischer Komponisten präsentiert: Felix Mendelssohn-Bartholdy und der 1972 verstorbene Wolfgang Jacobi sind die prominentesten Beispiele. Letzterer stammte aus Bergen vor Rügen und rechtfertigt somit das Motto der Reihe.

In Synagogen, Schlössern, gar in Reithallen zu spielen: Das ähnelt, wie erwähnt, stark dem SHMF, für das Matthias von Hülsen auch selbst von 1986 bis 1994 arbeitete. Was den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern aber abgeht: die fast schon hysterische Suche der SHMF-Verantwortlichen nach immer exotischeren Aufführungsorten. In diesem Punkt bescheiden sich die Mecklenburger: Mit dem Stralsunder „Ozeaneum“ ist der ungewöhnlichste Konzertsaal bereits benannt. Die übrigen Konzerte erklingen – ganz unaufgeregt – in hierfür üblichen Räumen.

Beginn: 7. 6. , bis 13. 9.