Leben im Dunkeln

In Köln leben 25.000 „Papierlose“. Ein Vortrag im Domforum verdeutlicht ihre dramatische Lebenslage

KÖLN taz ■ Wahrscheinlich kennt sie jeder – und dennoch bleiben sie gesichtslos. Rund 1,5 Millionen Menschen, so schätzen Experten, sind ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Die im letzten Jahr gegründete „Initiative gegen Illegalisierung in Köln“ geht davon aus, dass bis zu 25.000 „Papierlose“ im Großraum Köln leben und arbeiten. „Die Gründe dafür sind vielfältig“, heißt es in einem Appell der Initiative an den Kölner Rat. Neben Schutzlücken für bestimmte Flüchtlingsgruppen dränge auch das Ausländergesetz Menschen in die Illegalität. Zudem fehlten Möglichkeiten der legalen Zuwanderung. Illegale seien rechtlos und damit de facto vogelfrei.

„Das Leben der illegalisierten Menschen ist mit sehr viel Leid verbunden“, beklagte Albrecht Kieser vom Kölner Netzwerk „kein mensch ist illegal“ (kmii) am Mittwoch Abend im Kölner Domforum. Dort stellte der Münchner Historiker Philip Anderson die Ergebnisse seiner Studie über die Lebenssituation von Illegalen in München vor. Dort leben die Menschen häufig auf engsten Raum bei Mitgliedern ihrer ethnischen Community oder haben gar nur einen Schlafplatz für eine Nacht, berichtete er. Ein großes Problem sei die mangelnde Gesundheitsversorgung, denn Krankenversicherungen können die Illegalen nicht abschließen. Besuche beim Arzt seien daher fast unmöglich.

Was vogelfrei heißt, wurde besonders beim Thema Beschäftigung offenbar. „Menschen in der Illegalität akzeptieren alle Bedingungen“, so Anderson. Lohndumping sei an der Tagesordnung. Und wenn der Arbeitgeber den Lohn prellt, sei es schwierig die eigenen Rechte durchzusetzen. „Die Gewerkschaften helfen wegen des Status nicht.“

Anderson empfahl, in den Stadtteilen Netzwerke von ethnischen Communities, Ärzten und sozialen Einrichtungen aufzubauen. Kommunen müssten eine offizielle Anlaufstelle für Illegale einrichten und einen Fonds für medizinische Behandlungen auflegen. Außerdem müssten anonyme Geburten in Krankenhäusern möglich sein, um Abschiebungen zu verhindern. Mit geregelten anonymen Fallberatungen könnte der dringende Bedarf an Informationen für Menschen ohne Papiere gedeckt werden.

„Die Ergebnisse und Schlussfolgerungen Andersons sind auf Köln übertragbar“, resümierte Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. Im Rahmen der „Initiative gegen Illegalisierung in Köln“ will der Flüchtlingsrat die öffentliche Diskussion zu dem Thema vorantreiben. Als Voraussetzung für einen Dialog mit Politik und Verwaltung sei zunächst aber eine Bestandsaufnahme für Köln nötig. Prölß: „Wir müssen den Gespenstern ein Gesicht geben, um ihre humanitäre Lage verbessern zu können.“ Thomas Spolert