„Ein Bollwerk gegen Fundamentalismus“

Jürgen Rüttgers (CDU) macht Kultur wieder finanzierbar: Er will keine Hochglanzbroschüren mehr drucken lassen, wenn die Christdemokraten die Landtagswahl gewinnen. Ansonsten will er auch „unsere Kultur zurückgewinnen“

Düsseldorf taz ■ Im Falle eines Wahlsieges der Christdemokraten bei der kommenden Landtagswahl wird es Druckereien in Nordrhein-Westfalen schlechter gehen. Jürgen Rüttgers will den Kulturhaushalt mittelfristig verdoppeln. Die dafür notwendigen 70 Millionen Euro seien einfach zu beschaffen. „Das kriegen wir allein durch das Streichen von Druckaufträgen für Broschüren raus“, sagte der Vorsitzende der NRW-CDU gestern in Düsseldorf.

„Unseriös und wenig durchdacht“ kritisierte Kulturminister Michael Vesper (Grüne) die Ankündigung. Niemand habe etwas gegen eine Verdoppelung des Kulturhaushaltes. NRW brauche vor der Wahl aber „keine betörenden Minnegesänge, sondern eine kontinuierliche Kulturpolitik“. An der ließ der Oppositionsführer im Landtag aber kein gutes Haar. „Es ist ein Irrweg, wenn nur noch gefördert wird, was sich selbst trägt, oder Geld einbringt“, sagt Rüttgers. Kultur reduziert auf Wirtschaftsförderung werde es im Falle eines Wechsels in Düsseldorf nicht mehr geben. Deutsche Kultur solle zurückgewonnen werden, weil sonst die Gefahr wüchse, dass Fanatismus die Humanität unter sich begrabe. Sie sei schließlich ein Bollwerk gegen den Fundamentalismus. Denn wenn ein Ausländer seine Zweitfrau auch noch kostenlos krankenversichern wolle, „da sagen wir nein, soweit geht Kultur nicht“. Die Postmoderne müsse eben überwunden werden, das betonte Rüttgers mehrfach.

Besonderes Augenmerk legt der Christdemokrat auf fünf Bereiche, unterstützt vom Düsseldorfer Kulturdezernenten Hans-Heinrich Große-Brockhoff (CDU) und dem Gründungsintendanten der Kölner Philharmonie Franz-Xaver Ohnesorg. Künstler sollen vermehrt in den Schulen arbeiten. Dafür wolle die CDU unbürokratische Modelle der Vertragsgestaltung und Bezahlung entwickeln. „Wir brauchen einen neuen Bildungskanon“ sagt Große-Brockhoff, dem in NRW die kulturpolitische Linie fehlt, immerhin sei der Kulturetat der Stadt Düsseldorf unverständlicherweise doppelt so groß wie der des Landes. Musik und Kunst müssten Pflichtfächer werden. „Lehrer sollten sich dem Thema öffnen“, sagt Ohnesorg. Auch dürfe das Kunsthochschulgesetz nicht in das neue Hochschulgesetz integriert werden. Auch im zweiten Bereich: Die Geisteswissenschaften an den Uni stärken.

Besonders schlecht stünde es um die Kulturförderung bei den öffentlichen Bildungseinrichtungen, sagt Rüttgers. Ihre Erhaltung dürfe nur sehr begrenzt von ökonomischer Profitabilität abhängen. Wie auch die Förderung der freien Szene. Auch sie könne nicht „nach Kassenlage zur Disposition stehen“. Der Kauf von Kunst und die Vergabe von Auftragsarbeiten sei nach wie vor die beste Kulturförderung. Der Ankaufsetat des Landes sei unter 100.000 Euro gesunken, er habe einmal mehrere Millionen betragen, rechnet Große-Brockhoff vor: „Das ist eine Erosion in der Substanz“. Für Oliver Keymis von den Grünen sind das alles keine Neuigkeiten. „Warum hat Herr Rüttgers eigentlich fünf Jahre zur Kulturpolitik geschwiegen?“, fragt der Kultursprecher im Landtag. PETER ORTMANN