Gemütlichste Grenze der Welt nun noch sicherer

TERRORISTENABWEHR Ab Montag werden die Kanadier bei der Einreise in die USA ihre Pässe vorzeigen

WASHINGTON taz | Die Tage der gemütlichen Grenze sind gezählt. Ab 1. Juni verschärfen die USA die Kontrollen an der Grenze zu Kanada erheblich. Mit mehr als 6.000 Kilometern ist es die längste offene Grenze der Welt. Bislang reichte es, mündlich seine Staatsbürgerschaft zu erklären. Ab Pfingstmontag muss ein Pass oder Personalausweis vorgezeigt werden.

Nun werden Kameras entlang der Grenze installiert. Unbemannte Predator-Flugzeuge mit Nachtsichtgeräten sollen nach illegalen Einwanderern, Terroristen und Schmugglern suchen, und in den Asphalt der Nebenstraßen werden Sensoren eingelassen.

Laut Janet Napolitano, der Staatssekretärin für innere Sicherheit, sind die Mexikaner wegen der ungleichen Behandlung beleidigt. „Was an der mexikanischen Grenze passiert, sollte auch an der kanadischen Grenze geschehen“, erklärte Napolitano. Außerdem überquerten Terroristen regelmäßig die Grenze im Norden. Bislang ist aber lediglich einer gefasst worden: Ahmed Ressan, der „Millennium Bomber“, der 1999 den Flughafen von Los Angeles in die Luft sprengen wollte, aber zuvor festgenommen wurde. Es gebe weitere Leute, deutete Napolitano an, aber aus Sicherheitsgründen könne sie darüber nicht sprechen.

Kanadische Politiker sind erbost über diese Behauptungen. Schließlich betrugen die Verhaftungen und Drogenfunde an der kanadischen Grenze im vergangenen Jahr gerade mal ein Prozent von denen an der mexikanischen Grenze. Außerdem sei man keineswegs untätig gewesen: Seit den Anschlägen von 2001 wurden die Einwanderungskontrollen verschärft, die Flughafensicherheit verbessert und 2007 nach jahrelangen Debatten auch die Grenzschutzbeamten bewaffnet.

Dennoch hat der US-Grenzschutz in einem Bericht an den Kongress voriges Jahr seine Besorgnis darüber geäußert, dass „Extremisten leicht durch die nördliche Grenze schlüpfen“ könnten. In dem Bericht wurde auf die „unbestreitbare Präsenz von bekannten Terroristen der Hisbollah und von Hamas in Kanada“ hingewiesen.

Sarah Hubbard von der Handelskammer in Detroit warnt, viele US-kanadische Geschäftspartnerschaften würden unter den neuen Regeln leiden. Laut Hubbard verläuft fast ein Fünftel des Warenverkehrs zwischen den USA und Kanada über die Ambassador-Brücke, die Detroit und Windsor im kanadischen Staat Ontario verbindet. Das sind Waren im Wert von 130 Milliarden Dollar.

Vor allem jedoch wird der kleine Grenzverkehr schwieriger. 4.000 kanadische Angestellte im Gesundheitsdienst pendeln täglich nach Detroit. Und immerhin vier Fünftel aller Kanadier leben weniger als 150 Kilometer von der US-amerikanischen Grenze entfernt.

RALF SOTSCHECK