Höhenflüge für Aidskranke

SOLISTEUER Wer in Frankreich ein Flugticket kauft, entrichtet eine Abgabe an einen Fonds für HIV-Infizierte, Tuberkulose- und Malariakranke

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Wer in Frankreich in ein Flugzeug steigt, hat beim Kauf seines Tickets eine „Solidaritätssteuer“ bezahlt. Sie kommt der medizinischen Versorgung von HIV-, Malaria- und TBC-Kranken in wenig entwickelten Ländern des Südens zugute. „Chirac-Steuer“ heißt die 2006 von dem gleichnamigen Expräsidenten eingeführte Gebühr. Sie ist in Europa einzigartig und wurde weltweit von sieben anderen Ländern übernommen.

Die Höhe der „Solidaritätssteuer“ richtet sich nach Flugklasse und Länge der Flugstrecke. Aber im Verhältnis zum Flugpreis und den anderen Steuern auf das Ticket nimmt sie sich gering aus. Innerhalb von Europa zahlen Zweite-Klasse-Passagiere 1 Euro, Erste-Klasse-Passagiere 2 Euro. Für Langstreckenflüge beträgt die Steuer 4 beziehungsweise 40 Euro.

Das Geld geht an eine ebenfalls 2006 gegründete Organisation mit Sitz bei der Weltgesundheitsorganisation in Genf: „Unitaid“. Sie tätigt Großeinkäufe von Medikamenten und verteilt sie dort, wo es keinen Zugang dazu gibt – gegenwärtig in 93 Ländern. Nach eigenen Angaben hat Unitaid seit dem Start im September 2006 mit Großeinkäufen bereits für 60-prozentige Preissenkungen bei antiretroviralen Mitteln für HIV-PatientInnen gesorgt.

Die Idee zu dem Fonds kam von Chirac und dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula. Vor dem Hintergrund rückgängiger Entwicklungshilfeausgaben und angesichts von weltweit sieben Millionen HIV-Infizierten, von denen nur zwei Millionen Medikamente bekommen, wollten Chirac und Lula andere Finanzierungsquellen suchen. Bis heute haben sich 29 Länder ihrer Initiative angeschlossen. Die meisten unterstützen Unitaid aus ihren Staatshaushalten. Eine Finanzierung über Steuern auf Flugtickets haben neben Frankreich nur Chile, Niger, Demokratische Republik Kongo, Elfenbeinküste, Madagaskar, Mauritius und Korea geschaffen – gegen den scharfen Protest der Fluggesellschaften. Der frühere Chef von Air France, Cyril Spinetta, befürchtete eine „Wettbewerbsverzerrung“. Und für die Vereinigung der europäischen Fluggesellschaften (AEA) in Brüssel erklärt David Henderson: „Unser Job ist es, alle Länder in der Welt zu verbinden. Wir schaffen Arbeitsplätze, wo wir hinkommen. Es macht keinen Sinn, dass die Fluggesellschaften dafür bestraft werden.“ Aber die Mehrheit der Passagiere ahnen nicht mal etwas von der Steuer, die sie beim Kauf ihres Tickets entrichten.

Bis heute ist Unitaid allerdings hinter den Erwartungen seiner Gründer zurückgeblieben: Der Kreis der Länder, die es unterstützen, wächst nur langsam. Die finanziellen Mittel fallen niedriger als erwartet. Nichtregierungsorganistionen kritisieren, dass Unitaid bereits funktionierende internationale Bemühungen verdoppelt. Und dass der Fonds vor allem der Pharmaindustrie als zahlungskräftiger Großkunde nutzt. Um den finanziellen Spielraum von Unitaid zu vergrößern, hat dessen Präsident Philippe Douste-Blazy, früher Außenminister in Paris, eine zweite Finanzierungsquelle im Luftverkehr organisiert. Ein Abkommen mit den drei internationalen Reservierungszentralen – Amadeus, Galileo, und Sabre – sieht vor, dass Flugpassagiere demnächst bei jeder Buchung freiwillig zusätzlich zwei Dollars für Unitaid zahlen können. Angesichts von 1,8 Milliarden Flügen pro Jahr ergäbe das eine hübsche Summe.