Neonazis auf einsamen Wegen

Moers begegnete einem Neonaziaufmarsch am Samstag mit der Ignoranz-Strategie: Die Rechten liefen durch leere Straßen, die kleine Gegendemo fand am anderen Stadtende statt

aus MOERSALEXANDER FLORIÉ

Bei einem Neonaziaufmarsch in Moers am Samstag sind etwa 100 Rechte mit ihrer Agitation ins Leere gelaufen: Bei ihrem Weg vom Moerser Bahnhof aus abseits der Innenstadt trafen sie weitestgehend nur auf heruntergelassene Rollläden und Straßen ohne Menschen. „Die Strategie, die Nazis durch leere Straßen marschieren zu lassen war erfolgreich“, sagte der Sprecher des „Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage“ Moers, Hajo Schneider. Nur vereinzelt fanden sich Passanten auf der Straße ein, oder schauten Menschen vom Balkonfenster aus dem Zug zu. Ansonsten begleitete nur eine Abordnung der 600 Polizisten den rechten Zug. Auf eine angekündigte Kundgebung in einer Seitenstraße verzichteten die Nazis.

Der Moerser Ausländerbeirat hatte die ausländischen Mitbürger in den Stadtteilen Meerbeck und Repelen dazu aufgefordert, der Kundgebung fernzubleiben: „Präsent sein, aber uns nicht provozieren lassen – so wollen wir die Nazis bestrafen“, sagte der Vorsitzende Cemil Mayadali. So fanden sich eine Stunde vor dem offiziellen Beginn des Naziaufmarsches um 10 Uhr nur 150 Menschen am jüdischen Mahnmal an der Unterwallstraße einfanden, um ihren friedlichen Protest gegen den Naziaufmarsch deutlich zu machen – darunter auch alle Fraktionen der Moerser Parteien, die einen Tag zuvor noch einen gemeinsamen Aufruf gegen den Naziaufmarsch unterschrieben hatten.

Der Moerser Bürgermeister Norbert Ballhaus (SPD) rief dort auch den Überfall auf die jüdische Synagoge 2000 in Erinnerung: „Für rechte Spinner und deren Ableger ist hier kein Platz. Die dürfen keine Lust mehr haben auf Moers.“ Thomas Keuer von verdi Duisburg mahnte: „Sowas wie im Dresdener Landtag darf sich in NRW und Moers nicht wiederholen.“ Weggucken sei der Nährboden für 1933 gewesen. Dementsprechend fand die Ignorierungsstrategie des Tages auch Kritiker: „Dass hier so wenige sind, finde ich schon peinlich“, meinte zum Beispiel der Moerser Peter Weinstock. Über eine Stunde musste der Nazitross auf den Hamburger Ideologen Christian Worch warten. Was dann aus den Boxen dröhnte, war offene Agitation „gegen die asoziale Politik der BRD“ und die Demokratie. Was Christian Worch noch rhetorisch geschickt als Kritik an „der sozialen Umverteilung“ ummantelte, gipfelte in offener Hetze des Hammers Sascha Kurzik: „Ein Machtwechsel ist nur durch organisierten Volksaufstand zu machen“, rief er. In Anspielung auf das Kriegsende sagte er: „Nach 60 Jahren kämpfen junge, opferbereite Idealisten und sagen: wir sind Nationalsozialisten, wir haben nicht kapituliert, und wir werden siegen. Dann wird der Erdball erbeben, wenn es heißt: Sieg oder Tod.“

Am Ende nahm die Polizei elf Menschen fest, sechs wurden in Gewahrsam genommen. Als „unangemessen“ bezeichnete „Bündnis“-Sprecher Schneider dagegen das Vorgehen gegen die Vermummung der linken Demonstranten. „Vermummung hat es bei den Rechten auch deutlich gegeben.“ Die Moerser PDS wird möglicherweise Strafanzeige wegen des Abspielens von verbotenen Naziliedern stellen.