Auf Hören und Brechen

Warum der Stuttgarter Radiosender Big FM seine Hörer zu Autoeinbrüchen animiert

VON PEER SCHADER

Sind Ihnen diese Woche beim Einkaufsbummel harmlos aussehende Menschen aufgefallen, die ungeniert an geparkten Autos herumhantiert haben? Mitten in der Stadt, am helllichten Tag? Machen Sie sich keine Gedanken: Wahrscheinlich handelte es sich dabei nicht um besonders dreiste Autoknacker, sondern bloß um arglose Hörer des Stuttgarter Privatradios Big FM.

Das veranstaltet derzeit eine Art Schnitzeljagd und gibt im Programm Hinweise auf ein Auto, das täglich in einer anderen Stadt des Sendegebiets versteckt wird. Im Kofferraum liegt ein Batzen Geld – wie viel, das wird von Tag zu Tag neu festgelegt. Meist liegt die Summe zwischen 500 und 10.000 Euro. Insgesamt will Big FM so bis Anfang Februar 100.000 Euro an die Hörer bringen. Wer nämlich den Wagen zuerst findet, darf die Kohle behalten. So weit, so spaßig. Allerdings machen sich manche Teilnehmer mit einer gehörigen Portion Übereifer auf die Suche. Anstatt die Hinweise abzuwarten, probieren sie in der jeweiligen Stadt wahllos, Autos zu öffnen.

Die Polizei findet die Aktion deshalb gar nicht lustig. Als der Sender seinen Geldwagen am vergangenen Montag in Wiesbaden versteckte, klingelte in der dortigen Polizeistation unaufhörlich das Telefon, weil Bürger angebliche Autodiebe melden wollten. „Das hat unser Notrufsystem zeitweise lahm gelegt“, sagt Sprecher Helmuth Klinger verärgert. Dasselbe Problem hatten die Kollegen in Mainz zwei Tage zuvor. Anrufer berichteten von Männern mit Handschuhen, die um parkende Autos schlichen, und einem Ehepaar mit Kinderwagen, das an Kofferräumen rüttelte. Immerhin waren beide Stellen durch Hinweise aus Mannheim und Kaiserslautern vorgewarnt. Die Kollegen dort hatten in der Woche zuvor ähnlichen Ärger – ohne vorab informiert worden zu sein.

Kein Wunder, dass sich das Verständnis für den Radiospaß in Grenzen hält. Eigentlich wolle die Polizei mit Aktionen wie „Hinsehen statt Wegsehen!“ die Bürger motivieren, Verdächtiges zu melden, um Straftaten zu vermeiden, sagt Volker Dressler, Sprecher der Mannheimer Polizei. „Das wird durch solche Aktionen natürlich konterkariert.“ In Kaiserslautern will die Polizei nun prüfen, ob sie Big FM die durch den unnötigen Einsatz entstandenen Kosten in Rechnung stellen kann.

Mit seiner Aktion ist der Stuttgarter Sender nicht allein (siehe Kasten). Unter Konkurrenzdruck lassen sich die Stationen immer spektakulärere Gewinnspiele einfallen und hoffen auf den PR-Effekt, erklärt Wolfgang Schuldlos, Geschäftsführer der Media-Agentur Zenith More Media: „Das überschreitet schon mal die Grenzen des guten Geschmacks.“ Manche ließen sich nicht mal von Geldstrafen abschrecken. „Die Sender wollen ihren Bekanntheitsgrad erhöhen“, weiß Schuldlos – etwa um bei der für Radios so wichtigen Media-Analyse besser dazustehen. Dass die Aktionen auch für Ärger sorgen können, scheint da nebensächlich.

Karsten Kröger, Chefredakteur bei Big FM, ist entsprechend gelassen: „Wir werden unser Spiel wie gehabt fortsetzen. Schließlich rufen wir zu keiner Straftat auf.“ Immerhin sollen die zuständigen Polizeistellen nun vorab informiert werden, dass es wegen des Gewinnspiels „zu ungewöhnlich vielen Bürgeranfragen“ kommen könnte. On air läuft inzwischen der Hinweis: „Ey, Leute, es ist strafbar, mit Gewalt Autos aufzuknacken. Big FM ruft euch hiermit ausdrücklich dazu auf, nichts Verbotenes zu tun!“ Das zeigt offenbar Wirkung: Die Polizei in Stuttgart hatte am Mittwoch während des Spiels kaum Stress.

Auf weitere Vorschläge der Polizei, wie den Hörern zumindest Fahrzeugtyp und -farbe zu verraten, um unnötige Autorütteleien zu beenden, will Kröger nicht eingehen. Das würde dem Spiel den Reiz nehmen, meint er. „Und schließlich müssen wir unseren Hörern ja was bieten.“