„Ecke der Versöhnung“

Braucht Berlin eine Dutschkestraße? Ja, sagen Rudi Dutschkes Söhne Marek und Hosea Che

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg wird am Mittwoch, 26. Januar, über die taz-Initiative zur Umbenennung der Berliner Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße befinden. Die Fraktionen von PDS, Grüne und SPD sind prinzipiell dafür – CDU und FDP dagegen. Auch Rudi Dutschkes Söhne Marek und Hosea Che hatten sich in den Streit um die Straßenbenennung eingeschaltet und in einem offenen Brief die Kritik von Frank Henkel zurückgewiesen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Berliner CDU-Fraktion hatte die Umbenennung als „politische Geschmacklosigkeit“ bezeichnet, weil Dutschke die Studentenbewegung Ende der 60er-Jahre radikalisiert habe. Die taz dokumentiert, vier Tage vor der BVV-Entscheidung, den offenen Brief der Dutschke-Söhne an Henkel:

„Lieber Fraktionsgeschäftsführer Herr Henkel,

wir schreiben Ihnen aufgrund der jetzigen Debatte, ob die Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt werden soll.

Wir bedauern die von Ihnen geäußerte Kritik, dass Rudi Dutschke die Studentenbewegung radikalisiert habe. Denn dies entspricht nicht der Wirklichkeit. Die Studentenbewegung war radikal, weil die damaligen Verhältnisse vielfach repressiv, marode, unterdrückend und frauenfeindlich waren. Die große Koalition von CDU und SPD hat diese Verhältnisse auf Bundesebene aufrechterhalten. Die gesellschaftliche Stimmung gegen die Studenten hat sie radikalisiert, die Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg und der Attentatsversuch gegen unseren Vater waren sehr wichtige Ereignisse in dieser Entwicklung. Und die 3 Kugeln auf unserem Vater kamen – in Wolf Biermanns Worten – aus Springers Zeitungswald, aus dem Schöneberger Rathaus und vom damaligen Kanzler, einem Edelnazi. Unser Vater starb 11 Jahre später an den Folgen dieses Attentats, und wir könnten bitter sein.

Wir sind aber der Meinung, dass die Vergangenheit auch dafür da sein sollte, um die Zukunft besser zu machen. Wir sehen nun eine historische Chance, diese Kluft zwischen den einstigen politischen Gegnern zu überbrücken, indem zumindest ein Teil der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße umbenannt wird und damit einen Berührungspunkt mit der Axel-Springer-Straße bekommt.

Die Ecke von Rudi-Dutschke-Straße und Axel-Springer-Straße wäre ein Ort der Versöhnung. Unser Vater hatte durchaus Überschneidungspunkte mit Axel Springer. Beide haben sich konsequent für die Wiedervereinigung eingesetzt. Besonders in einem Bezirk, der ein Zusammenschluss von Ost und West ist, wie Kreuzberg-Friedrichshain, ist dies erwähnenswert, und beide waren durch ihre religiösen Vorstellungen beeinflusst.

Herr Henkel, wir sollten uns für die Rudi-Dutschke-Straße und einen Ort der Versöhnung einsetzen, denn dieser Vorgang sollte die Unterschiede der Vergangenheit als wertvolle Bereicherung wahrnehmen. Die Ecke wäre symbolisch für Versöhnung zwischen den Feinden von einst.

Der taz- und der Springer Verlag, Rudi Dutschke und Axel Springer, damit wird ein Versuch gemacht, das, was Rudi Dutschke im Leben versucht hat, auch 25 Jahre nach seinem Tode weiterzubetreiben.

Die Versöhnung wäre im Sinne unseres Vaters und im Sinne von Berlin.“