berliner szenen Traumpost (1)

Schiff im Schleudergang

Er musste eingenickt sein. Im Traum saß er gerade im Space-Shuttle und drang mit großem Gerüttel und Geschüttel in die rötlich leuchtende Erdatmosphäre ein.

Dann aber war er plötzlich Kapitän eines alten Segelschiffes und hörte ein dumpfes Getöse vom nordöstlichen Horizont heranrollen. Durch die Sunda-Straße raste eine riesige Wasserwand auf sie zu. „Krakatau!“, schrie eine sich überschlagende Stimme von achtern herüber, und auch der Himmel sah plötzlich ganz entsetzlich aus: klumpiges Schwarz, aus dem in rasender Folge Blitze schlugen – wie weiße Riesenschlangen auf tintigem Grund! Er atmete schwerer; feinster Staub erfüllte die Luft, und der Tag war zur Nacht geworden. Schwefelflammen durchzuckten das Firmament,. Graue Schwaden dunklen Aschenstaubs rieselten herab. Auch im Südosten schossen plötzlich rasende Feuerketten in die Luft. Ganze Katarakte weißglühender Bälle schnellten auf ihn zu, er zuckte zusammen und erwachte schweißgebadet.

Doch Moment mal, in seiner winzigen Einzimmer-Altbauwohnung wackelte ja tatsächlich alles! Plötzlich war er hellwach und blickte sich entsetzt um. Was war hier los? War das ein Erdbeben? Der Atomkrieg? Das Ende der Welt? Die Schränke in seinem Zimmer bebten. Bilder fielen von der Wand. In der Küche rasselten schon die Teller von der Spüle und zerschellten auf dem Boden. Lautes Dröhnen erfüllte die gesamte Wohnung!

Benommen ließ er sich aus dem Bett fallen. Er stürzte in die Küche. Und da fiel es ihm endlich wieder ein. Es war ja bloß seine neue Waschmaschine, die er vorhin zum ersten Mal in Betrieb genommen hatte. Sie befand sich im niedrigstwählbaren Schleudergang. JAN SÜSELBECK