Campus in spe mit Altlasten a. D.

Der Umzug der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) könnte bis zu 20 Millionen Euro mehr kosten. Auf dem einstigen Industrieareal in Oberschöneweide sind neue Altlasten aufgetaucht

VON JAN ROSENKRANZ

Der für 2006 vorgesehene Umzug von Teilen der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) auf ihren neuen Campus in Berlin-Oberschöneweide kommt Berlin teurer zu stehen als geplant. Auf dem Gelände der ehemaligen Kabelwerke Oberspree (KWO) wurden erneut Altlasten gefunden. Deren Beseitigung kann bis zu 20 Millionen Euro kosten. Dies bestätigte gestern die Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Manuela Damianakis.

Eigentlich galten sowohl das Areal als auch die Gebäude als saniert. Diese Arbeiten wurden 1999 beendet – offenbar aber nicht zur vollsten Zufriedenheit. So waren zwar 100.000 Kubikmeter Sondermüll entsorgt und kontaminiertes Erdreich ausgetauscht worden, um eine Verseuchung des Grundwassers zu verhindern. Die Gebäude selbst sind dagegen „nicht so saniert worden, wie sie sollten“, sagt Damianakis.

Ein Gutachten, das die Behörde im November in Auftrag gegeben hatte, komme zu dem Ergebnis, dass sich im Baugrund noch immer Giftstoffe befinden. Diese könnten zwar nicht mehr ins Grundwasser entweichen, seien jedoch in den Fundamenten enthalten. Um welche Stoffe es sich dabei genau handelt, konnte die Sprecherin gestern nicht sagen. Das Gutachten werde derzeit ausgewertet. Sicher ist, dass der feuchte Baugrund zur Verfestigung vor mehr als 100 Jahren mit arsenhaltiger Schlacke aufgefüllt worden war.

Ursprünglich sollten im Mai die Bauarbeiten beginnen, um die Gebäude für eine Nutzung durch die FHTW umzugestalten. Vor der Freigabe der Gelder sollte lediglich eine Bestandsanalyse durchgeführt werden. Ergebnis: Hier hat wer geschlampt.

Zuständig für die Sanierung war die Berliner Landesentwicklungsgesellschaft (BLEG), die sich seit mehr als zwei Jahren in Liquidation befindet. Kein Kommentar, hieß es gestern. Grüne und FDP forderten die Aufklärung der Vorgänge. Der Senat solle auch prüfen, ob Anspruch auf Schadenersatz besteht. Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS) zeigte sich „entsetzt“ von den neuen Altlast-Funden. Eine Sprecherin des Senators sagte: „Wir gehen weiterhin von unserem Zeitplan für den Umzug aus.“

Auch bei der FHTW ist man aufgeschreckt. Der Präsident sei zuversichtlich, dass die Koalition zu ihrer Entscheidung steht und alles unternimmt, um den Umzug nicht zu gefährden, so FHTW-Sprecherin Gisela Hüttinger. „Es muss klappen. Über Alternativen denken wir jetzt noch nicht nach.“

Im März 2004 hatte der Senat grünes Licht für das 110 Millionen Euro teure Großprojekt gegeben. Derzeit ist die Fachhochschule auf fünf weit voneinander entfernte Standorte verteilt. Ab 2006 sollen stufenweise etwa 5.000 der über 9.000 Studenten auf den Campus an der Spree ziehen – zuerst die Studenten des Fachbereichs Gestaltung. Bis 2009 sollen auch die Ingenieurs-und Teile der Wirtschaftswissenschaften umgezogen sein.

Seit dem Niedergang der Industrie in Oberschöneweide Anfang der 90er-Jahre bemühen sich Senat und Bezirk, den gebeutelten Standort wieder zu beleben. So gab es gestern auch eine gute Nachricht für den Standort: Senatsbaudirektor Stimmann kündigte an, dass auf einem Teil des alten Industriegeländes ein Zentrum für moderne Kunst entstehen soll. Private Investoren wollen die in den 20er-Jahren erbauten Reinbekhallen, in denen noch bis 1996 Transformatoren produziert wurden, für rund 10 Millionen Euro umbauen. Am Spreeufer soll ein Komplex aus zwei Museen sowie 16 Galerien entstehen. Die Eröffnung ist für 2007 geplant – wenn die Altlasten mitspielen.