Ein Traum von einem Flieger

Größer, schwerer, weiter: mit dem A380 will das gesamteuropäische Unternehmen Airbus den US-amerikanischen Konkurrenten Boeing überflügeln

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Jahrelang trug die Maschine, mit der Europa den USA davonfliegen will, den Codenamen 3XX. Die Branche witzelte: „Extralarge“. Heute wird das erste Modell dieser längsten, breitesten, schwersten und größten Passagiermaschine, die je gebaut wurde, in Blagnac bei Toulouse feierlich enthüllt. 5.000 Gäste schauen zu, unter ihnen die Staats- und Regierungschefs der vier Länder, aus denen das Kapital für diese Koproduktion stammt: Jacques Chirac, Tony Blair, José-Luis Zapatero und Gerhard Schröder. Sie wollen eine echte Erfolgsgeschichte europäischer Industriepolitik feiern.

Die Maschine, die nun den Namen A380 trägt, wird wohl auf Jahre hinaus das größte Flugzeug der Welt bleiben. Wenn die ausstehenden Tests am Boden und in der Luft, darunter die ab März geplanten Jungfernflüge, erwartungsgemäß verlaufen, soll das Flugzeug binnen zwei Jahren in den Handel gehen. Schon jetzt liegen 139 „feste Bestellungen“ für Passagiermaschinen vor. Die meisten stammen aus Europa, aber auch von weit entfernten Kunden, darunter arabische und asiatische Airlines. Mit China laufen Verhandlungen. Und wenige Tage vor der heutigen Präsentation gelang es den Europäern auch, einen prestigeträchtigen Auftrag aus dem Land ihrer wichtigsten Konkurrenz zu bekommen: UPS bestellte zehn A380 in der Cargo-Version. In den Transportmaschinen können 150 Tonnen Waren bis zu 10.400 Kilometer weit geflogen werden.

Den internationalen Markt haben die europäischen Flugzeugbauer von Anfang an im Auge gehabt. Angesichts zunehmend verstopfter Flughäfen und Lufträume und einer Zunahme der Passagierzahlen von jährlich 5 Prozent sehen sie die Lösung in dem größeren Fassungsvermögen ihrer Maschine. Zudem, so Airbus, habe die neue Maschine 15 bis 20 Prozent günstigere Betriebskosten als die Boeing 747. Die US-amerikanische Konkurrenz Boeing hielt lange dagegen, das Projekt sei untauglich – unter anderem, weil die meisten Start-und-Lande-Bahnen der Welt viel zu kurz für den A380 sind.

Seit zwei Jahren überflügelt das europäische Luftfahrtunternehmen die USA bei der zivilen Luftfahrt: 2004 verkaufte Airbus 320 Maschinen, das sind 53 Prozent des Weltmarkts bei Flugzeugen für mehr als 100 Passagiere. Und die Tendenz ist steigend: Airbus-Chef Noël Forgeard kündigte letzte Woche in Paris den Verkauf von 350 Maschinen in diesem Jahr an. Mit dem A380 will Airbus seinen Spitzenplatz auf dem Weltmarkt weiter ausbauen.

Der Flieger ist auch produktionstechnisch ein gesamteuropäisches Projekt. Die Einzelteile für das Modell, das heute enthüllt wird, sind an 16 verschiedenen Standorten gebaut worden: Die Tragflächen kommen aus dem walisischen Mostyn, das Cockpit aus dem französischen Saint-Nazaire, und die Heckspitze stammt aus Andalusien. In Toulouse im äußersten Westen Frankreichs, wohin das Land einst aus Furcht vor erneuten deutschen Überfällen seine Rüstungsindustrie verlegte, sind die Einzelteile montiert worden. Fertig lackiert ist das Modell bei der Präsentation jedoch noch nicht. Zu diesem Zweck muss es noch in die dafür vorgesehenen Hallen in Finkenwerder bei Hamburg. Um die multinationale Produktion des A380 zu ermöglichen, mussten Straßen erweitert, Hochspannungsleitungen unterirdisch verlegt und Hafenanlagen gebaut werden. In Deutschland protestieren immer wieder Umweltschützer dagegen. In Frankreich jedoch, wo die meisten Ausbauarbeiten nötig waren, paukte die Regierung Jospin – an der die grüne Partei mit zwei Ministern beteiligt war – diese Infrastrukturmaßnahmen mit einem „Dringlichkeitsgesetz“ durch.

Für Airbus sind die vielen Standorte keineswegs ein Handikap, man spricht vom Fördern einer „europäischen Synergie“ im Unternehmen. Auch über die Transportkosten zwischen den 16 Produktionsstätten macht man sich keine Sorgen. „Das sind Peanuts“, heißt es dort.