Mit eigenen Augen

Bürgermeister Ole von Beust darf heute den ersten A380 in Toulouse angucken. Seine Kontrahentin Gabi Quast ist ungebrochen kampfbereit

Von Aufgabe, sagt Gabi Quast, könne keine Rede sein: „Wir machen weiter“

Von Sven-Michael Veit

Der 18. Januar ist für Ole von Beust ein Tag der Freude. Endlich kann er „mit eigenen Augen sehen, woran auch bei uns in Hamburg seit Jahren erfolgreich gearbeitet wird“. Und obwohl er das eben noch nicht gesehen hat, weiß er dennoch bereits, dass er sich „keine schönere Bestätigung der gelungenen Industriepolitik am Standort Hamburg vorstellen kann“ als eben dieses „beeindruckende Ergebnis europäischer Hochtechnologie“. Der Bürgermeister schwärmt vom A380.

In Toulouse wird von Beust heute Vormittag dem „Roll-out“ des größten Passagierflugzeugs der Welt beiwohnen. Im südfranzösischen Hauptwerk des europäischen Airbus-Konzerns darf der Chef der Filiale Hamburg zugegen sein, wenn es gilt, bei einer ebenso farbenprächtigen wie feierlichen Lasershow den allerersten A380 zu bestaunen.

In der ersten Reihe wird zwar Bundeskanzler Gerhard Schröder Platz nehmen, gleich neben dem britischen Premier Tony Blair und dem gastgebenden französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac. Aber auch Ole von Beust darf dabei sein, und für seinen Wirtschaftssenator Gunnar Uldall und dessen Staatsrat Gunther Bonz werden sich ebenfalls Plätze finden lassen unter den rund 5.000 geladenen Gästen in der fast 500 Meter langen Montagehalle. Und dabei werden die drei eine kleine Träne zerdrücken.

Denn weiterhin ist vollkommen offen, ob jemals einer der doppelstöckigen Riesenjets von der Hansestadt aus in die weite Welt starten wird. Im Sommer soll der erste A380 auf dem Betriebsflughafen Finkenwerder landen, um lackiert und bestuhlt, mit Teppichen und Toiletten ausstaffiert zu werden. Die Auslieferung aber an Singapore Airlines, die im zweiten Quartal 2006 als erste Fluggesellschaft den A380 im Liniendienst einsetzen will, wird in Toulouse erfolgen, ebenso wie vorerst auch alle folgenden Maschinen für Europa und Nahost. Die sollen eigentliich in Hamburg den letzten Schliff bekommen, aber daraus wird so schnell nichts.

693,7 Millionen Euro lässt der Stadtstaat sich das Prestigeprojekt kosten, wie der Senat in seinem neuesten Sachstandsbericht vorrechnet, der am morgigen Mittwoch auf der Tagesordnung der Bürgerschaft steht. Frühestens aber Mitte 2007 wird die Start- und Landebahn auf jene 3.273 Meter verlängert worden sein, welche Airbus fordert. Aber auch nur, wenn die Gerichte davon überzeugt werden können, dass bei der Planung alles mit rechten Dingen zuging.

Gabi Quast bezweifelt das weiterhin nachdrücklich. Die Bedarfsbegründung für den Ausbau sei „keineswegs stichhaltig“, findet die Biobäuerin aus Neuenfelde, die im vorigen Jahr zur Ikone des Widerstands gegen die Verlängerung der Piste in die Obstplantagen des Altländer Dorfes wurde. Am Donnerstag wollen Quast und die Anwälte der noch immer mehr als 200 KlägerInnen gegen den Werksausbau ihre rechtliche Bewertung des neuen Sachstandes bekannt geben.

Am 5. Dezember vorigen Jahres hatte der Obstbauer Cord Quast zwei Grundstücke an die Stadt verkauft, die unmittelbar auf der projektierten Startbahntrasse liegen. Deren Bau stehe nun nichts mehr im Wege, frohlockte Uldall. Selbst die beiden letzten Eigentümer, die ihre Grundstücke partout nicht verkaufen wollen, könnten die Fertigstellung allenfalls „verzögern und verteuern, aber nicht mehr verhindern“. Diese, Gerd B. und die Kirchengemeinde Neuenfelde, aber lehnen einen Verkauf weiterhin ab.

Deshalb arbeitet Uldalls Wirtschaftsbehörde nun an einer nachgebesserten Planung, die in etwa drei Wochen vorliegen soll. In rund zwei Jahren will die Stadt dann am Ziel ihrer Träume sein: Eine Piste, wie von Airbus gewünscht, ein Auslieferungszentrum, wie von Airbus zunächst versprochen, dann gebrochen und nunmehr wieder in Aussicht gestellt, etliche Tausend zusätzliche Arbeitsplätze, wie von diesem Senat und seinen beiden Vorgängerregierungen beschworen, weltweites Prestige, wie von denselben erhofft. Wenn denn der zweite Versuch von den Richtern akzeptiert wird, die den ersten am 10. August des Vorjahres als „unbegründet“ verworfen hatten.

Gabi Quast und Rüdiger Nebelsieck, Anwalt der Klägergemeinschaft, versprechen schon jetzt, die neuen Planungen der Stadt „mit gewohnter Sorgfalt zu prüfen“ und ihre Klagebegründungen entsprechend anzupassen. Von Aufgabe, sagt die 44-Jährige, könne keine Rede sein: „Wir machen weiter.“ Dass der A380 jemals in Hamburg auf die Piste gehen wird, ist für Quast noch lange nicht besiegelt. Die Neuenfelder aber wollen auf jeden Fall in die Luft gehen – am Sonntag lassen sie vor der Kirche St. Pankratius Protest-Ballons steigen.

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