Weiter in aller Stille testen?

Der Gesetzentwurf zum Verbot heimlicher Vaterschaftsgentests hat eine Debatte ausgelöst: Sollen sich Männer ohne Wissen der Mütter über die wahre Abstammung ihrer Kinder informieren dürfen?Zwei persönliche Meinungen

Die Tests sollten erlaubt bleiben. Denn das Kind gehört nicht der Frau alleine

Vielleicht liegt es daran, dass ich die Werbung für Vaterschaftstests bisher nur auf den Klos von zwielichtigen Kneipen oder in verdreckten U-Bahn-Wagen gesehen habe. Vielleicht liegt es an meiner Abneigung gegen die staatliche und private Schnüffelei im Privat- und Intimleben. Vielleicht liegt es auch an meiner Naivität, mit der ich drei Kinder großziehe. Aber heimliche Vaterschaftstests gehören verboten. Sie nützen nicht. Sie schaden nur.

Denn wer einen heimlichen Test machen lässt, hat schon verloren: einen Haufen Geld. Den Respekt vor seinen Kindern. Das Vertrauen zu seiner Frau.

Stellen wir uns vor: Herr A. ist sich nicht sicher, ob der nervige Sohn S. tatsächlich sein Kind ist. Woher stammen diese blauen Augen? Woher die Begabung fürs Klavierspielen? Woher diese Tobsuchtsanfälle? „Von mir hat er das nicht“, denkt A. Er hat drei Alternativen. Erstens: ein Gespräch mit seiner Frau. Zweitens: einen Test. Drittens: das Ganze vergessen.

„Liebling, ist S. eigentlich mein Kind?“, kann Herr A. natürlich nicht am Frühstückstisch sagen. Aber wenn die Beziehung von Herrn A. und Frau B. irgendwas wert ist, sollten sie eine Gelegenheit finden, über ihre Beziehung zu reden. Über Ärger und Probleme, über die Attraktion anderer Partner und über mögliche Seitensprünge mit potenziellen Folgen. Das ist, zugegeben, eine sehr idealistische Vorstellung. Aber das ist die Idee von einer lang dauernden monogamen Beziehung auch.

Zweite Variante: der Test. Entweder er bestätigt A.s Verdacht. Was macht er dann? Trennt es sich von seiner Frau? Verlangt er Unterhalt vom Vater des Kindes? Auf jeden Fall ist die Beziehung zu Frau B. im Eimer – wenn sie es nicht schaffen, über ihre Beziehung und den Fehltritt von Frau B. offen und verständnisvoll zu reden. Das aber hätte Herr A. auch billiger haben können.

Was macht Herr A., wenn der Test bestätigt, dass S. sein Kind ist? Er vergisst alles und macht weiter wie bisher. Wirklich? Nagt nicht vielleicht irgendwas an seinem Gewissen, dass er Frau B. so etwas zugetraut hat? Wird er es ihr einmal erzählen? Und wie wird sie dann auf seinen Vertrauensbruch reagieren?

Wenn Herr A. mit Frau B. nicht offen reden kann, sollte er seine Zweifel einfach vergessen. Das geht nicht? Das geht sehr wohl. Was verdrängt er nicht sonst noch alles: seine Angst vor der atomaren Katastrophe, seine Furcht vor Hodenkrebs, die Ermahnungen des Steuerberaters. Warum sollte er bei seinem Sohn (?) eine Ausnahme machen?

Und was ist eigentlich so schlimm an einem „Kuckuckskind“? Erstens: Es kostet viel Geld. Ein gutes Argument. Aber der Zweitwagen ist teurer und sichert Herrn A. eine schlechtere Verzinsung seines emotionalen und ökonomischen Kapitals. Zweitens: Es gibt einen anderen Vater. Aber wenn sich A. gegenüber S. als Vater aufführt, wird das Kind ihn als solchen anerkennen. Die Liebe, die Begeisterung und das Vertrauen, das sein Sohn ihm entgegenbringt, ist nicht genetisch definiert, sondern entsteht im Zusammenleben. Der biologische Vater ist wichtig, keine Frage. Aber es geht auch anders. Und es geht auch gut. Das zeigen nicht nur Generationen von Pflege- und Adoptivkindern. Das zeigt auch eine Gesellschaft, in der die Patchwork-Familie immer mehr zur Normalität wird. Heute leben viele Männer und Frauen als Quasi-Mütter und Quasi-Väter mit Kindern, die nicht ihre eigenen sind – kein Weltuntergang.

Die heimlichen Vaterschaftstests sind Ausdruck eines uralten dynastischen Denkens, wo Abstammung und Blutsbande lebenswichtig waren für die Definition von Gemeinschaft, den Zusammenhalt von Familienclans und die Vererbung wichtiger materieller Güter. Alle diese Dinge gelten heute so nicht mehr. Im Gegenteil gehören die Tests zu einem Fortschritt, der zwar technisch ausgereift ist, sozial aber einen Rückschritt bedeutet. Ähnlich wie etwa bei der Feindiagnostik bei Schwangeren ermittelt auch der Vaterschaftstest technisch hoch stehende Ergebnisse. Wie die Betroffenen mit diesen aber weiter leben sollen, das sagt ihnen niemand. Würden Sie gern wissen, ob Sie im Alter an einer unheilbaren Krankheit leiden werden? Man muss nicht alles wissen wollen, was man wissen kann.

Die Diskussion hat eine Menge Schieflagen: Man stelle sich vor, staatliche Stellen oder Wirtschaftsunternehmen würden bei der Fahndung nach Verbrechern, bei ihrer Personalplanung oder etwa im Asylverfahren auf heimliche Abstammungstests setzen – der Aufschrei wäre zu Recht riesengroß. Doch das Recht, in die privatesten und intimsten Geheimnisse eines Menschen zu schauen, räumen wir Privatpersonen ohne weiteres ein. Und niemand stört sich daran, dass in dieser Diskussion Kinder wieder als Problem und Risiko betrachtet werden, dem man mit technischen Mitteln begegnen muss – und nicht als der Zufall, der Segen und die Chance, die sie sind.

Die Debatte um die Vaterschaftstests verdreht die Tatsachen: Das größte Problem sind in der Regel nicht die Frauen, die ihren Männern fremde Kinder unterschieben. Die größten und häufigsten Familienschweine sind Männer, die von ihren Kindern nichts wissen wollen, den Unterhalt prellen, sich den Kindern entziehen und vor ihrer Verantwortung in ein fröhliches Junggesellenleben fliehen. Wer sich von seiner Frau betrogen fühlt und nicht fremde Kinder aufziehen will, der kann bereits heute einen Test beantragen und bekommt ihn im Zweifel vom Gericht zugesprochen. Das aber geht nicht heimlich, sondern nur, wenn man das Problem öffentlich macht. Aber so viel Mut muss man als echter oder vermeintlicher Vater schon aufbringen.

BERNHARD PÖTTER

BERNHARD PÖTTER (39) ist überzeugt davon, der Vater dreier Kinder zu sein. Darüber informiert er regelmäßig in seiner Kolumne.

„Mein Bauch gehört mir.“ Es war ein harter Kampf, bis der Staat diesen Grundsatz endlich einsehen wollte. Aus diesem Grund soll es hier ruhig noch einmal gesagt werden: Mein Bauch gehört mir.

Eine ganz andere Frage ist jedoch, ob auch mein Kind mir gehört. Dem Gesetz zufolge kann ich nicht über mein Kind verfügen, wie es mir Spaß macht. Ich darf es nicht misshandeln, ich darf es nicht von der Schule fern halten, ich habe Fürsorgepflichten und so weiter. Alles sehr vernünftige Dinge. Es geht hierbei nicht um mich, sondern um die Rechte des Kindes. Das Gesetz ist dazu da, den Schwächeren zu schützen.

Bei dem Gesetzentwurf, den sich die Bundesjustizministerin jetzt ausgedacht hat, ist allerdings nicht ganz klar, wer eigentlich der Schwächere ist. Brigitte Zypries will heimliche Vaterschaftstests unter Strafe stellen. Allein die Formulierung ist problematisch. Bei dem Wort „heimlich“ tauchen vor meinem geistigen Auge Familienväter auf, die nachts die Zahnbürsten des vermeintlichen Stammhalter austauschen, um die Kinderzellen in irgendwelchen dunklen Kellerlabors untersuchen zu lassen, und nach unbefriedigendem Ergebnis Mutter und Kind verstoßen.

Was Zypries gegenüber dem Spiegel gesagt hat, eröffnet etwas deutlicher die Dimensionen des Vorschlags. In dem Gesetz, das den Umgang mit genetischen Daten regelt, soll es einen Paragrafen geben, „nach dem künftig alle Beteiligten ihr Einvernehmen erklären müssen, bevor es zu einem Vaterschaftstest kommen kann“, wird die Justizministerin in der aktuellen Ausgabe zitiert. Wie ist es nun, wenn selbst der Frau nicht ganz klar ist, welcher von zwei oder gar mehreren Kandidaten der Vater ihres Kindes ist? Natürlich dürfte je nach Anzahl die unauffällige Beschaffung vermeintlicher Zeugerzellen auch nicht ganz einfach werden. Aber heißt das, wenn die Väter nicht zustimmen, müsste ich sie als Frau alle einzeln verklagen oder wenn ich mir das nicht leisten kann, wenn ich das nicht auf mich nehmen möchte, wenn die Klage nicht durchkommt, eben auf „mütterliche Intuition“ vertrauen? Und, machen wir uns nichts vor, es geht doch gar nicht nur um den von der Mutter als Vater angegebenen Mann. Was ist mit Männern, die in Kindern, die die Frau als die ihre Partners ausgibt, den eigenen Nachwuchs vermuten? Ich glaube, man muss nicht alle möglichen Konstellationen durchspielen, um zu sehen, dass ein solches Gesetz nur bedingt im Interesse eines Schwächeren anwendbar ist, wenn je nach Fall unterschiedlich beurteilt werden muss, wer der Schwächere ist.

Der Witz um die Unsicherheit der Väter, ob ihre Kinder auch wirklich ihr eigen Fleisch und Blut sind, ist genauso alt, wie er blöde ist. Die vermeintliche weibliche Überlegenheit, die er propagiert, entspricht in keiner Weise einer Idee von Gleichberechtigung. Man mag es für ungerecht halten, dass durch Schwangerschaft und Geburt die Frauen eine deutlich größere Verantwortung für die Entstehung eines Lebens übernehmen müssen. Aber man kann diese Ungerechtigkeit nicht dadurch belohnen, in dem man ihnen das Recht gibt, selbst zu entscheiden, ob sie einen ungeliebten Partner über seine Vaterschaft informieren.

Mein Freund und ich haben keine Kinder. Er wäre aber in jedem Falle dafür, dass er einen Test machen dürfte. Nicht unbedingt ohne mein Wissen, aber sicher auch ohne meine Einwilligung. Mein Freund weiß selbst nicht, wer sein Vater ist, aber er weiß von seiner Mutter, dass sein Vater nichts von seiner Existenz weiß. Ich fände es sicher etwas merkwürdig, wenn mein Freund anzweifelt, ob ein gemeinsames Kind tatsächlich ein solches ist. Aber wegen seiner eigenen Geschichte könnte ich verstehen, dass er vielleicht ein Bedürfnis nach so einem Abstammungsnachweis haben könnte.

Ein Kind hat ein Recht darauf zu erfahren, wer sein Vater ist. Ein Kind gehört mir nicht und schon gar nicht mir allein. Es gehört im besten Falle zu mir. Wenn es noch zu klein ist, dieses Recht zu beanspruchen und durchzusetzen, also genau in der Zeit, wo es einen Vater am dringendsten brauchen könnte, sollte man auch einen möglichen Vater von seinem Kind nicht fernhalten. Natürlich will auch Zypries’ Gesetzentwurf das nicht, aber er würde solche Szenarien deutlich erschweren.

Meine Mutter ist übrigens für das Verbot von Tests ohne Einwilligung der Mutter. Sollte mich das beunruhigen?

JUDITH LUIG

JUDITH LUIG (30) ist kinderlos und Tante von drei angeblich mit ihrem Schwager gezeugten Kindern ihrer Schwester