Ältere Ostdeutsche haben Zukunftsangst

Laut Sozialreport muss jeder dritte Ostdeutsche zwischen 50 und 65 den Absturz in die Armut fürchten

BERLIN taz ■ Die Ostdeutschen zwischen 50 und 65 sind die Verlierer der Wende. Ihre Einkommen stagnieren, sie fühlen sich vom Arbeitsmarkt zunehmend ausgegrenzt, die Zukunftsangst wächst. Das geht aus dem Sozialreport 2005 des sozialwissenschaftlichen Forschungszentrums Berlin-Brandenburg hervor, der gestern in Berlin vorgestellt wurde.

Die Menschen dieser Generation seien enttäuscht, berichtete Gunnar Winkler, Präsident der Volkssolidarität, welche die Studie in Auftrag gegeben hat. 65 Prozent der Befragten gaben an, dass sich ihre Erwartungen nach der deutschen Einheit nicht erfüllt hätten. Rund ein Drittel dieser Altersjahrgänge sei „latentes Armutspotenzial“. Nur noch 41 Prozent der Älteren im Osten hätten Arbeit, es fehlten insgesamt 830.000 Arbeitsplätze für sie. Durch lang anhaltende Massenarbeitslosigkeit und fortwährenden Sozialabbau seien die ursprünglichen Lebensplanungen der älteren Menschen im Osten „nachhaltig in Frage gestellt“, heißt es im Bericht.

Die Unzufriedenheit ist für Winkler nicht auf nostalgische Erinnerung, sondern auf unzureichende Integrationsbedingungen zurückzuführen. Er verlangte, die Menschen in Ost und West 15 Jahre nach der Einheit endlich gleich zu behandeln.

Für Gert Wagner, der am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sozioökonomische Daten auswertet, ist die Unzufriedenheit nachvollziehbar. „Viele Angehörige dieser Generation sind in jeder Hinsicht die Verlierer. Ihnen fehlt die Erfahrung mit westlichen Betriebsformen. Sie leiden deswegen unter der hohen Arbeitslosigkeit, bekommen anschließend niedrigere Renten, und ihnen wird gesagt: was ihr früher gemacht habt, war falsch.“

Dem Bericht zufolge fühlen sich 13 Prozent der Befragten als richtige Bundesbürger, 14 Prozent wollen die DDR wiederhaben. 71 Prozent wollten sie nicht wiederhaben, fühlen sich aber auch noch nicht vollständig in der Bundesrepublik angekommen. Dies sei jedoch kein Ausdruck von Heimatlosigkeit, sondern eine bestimmte Verbundenheit mit Ostdeutschland. JH