Farc-Guerillero in Caracas in die Haft entführt

Kolumbiens Guerilla-„Außenminister“ in Venezuela von Geheimdienst verschleppt – peinlich für beide Länder

PORTO ALEGRE taz ■ „Die kolumbianische Polizei lügt“, sagte Hugo Chávez vorgestern in seiner TV-Show „Aló Presidente“: „Sollte hier in Venezuela ein Terrorist leben, aus welchem Land auch immer, dann muss dieses Land die Auslieferung fordern, nicht aber ihn entführen, denn das ist eine Verletzung des internationalen Rechts.“

Bereits letzte Woche hatte die Affäre um den Guerillero Rodrigo Granda für Schlagzeilen gesorgt. Auslöser war eine Erklärung der größten kolumbianischen Guerillaorganisation Farc, in der sie die Entführung ihres für internationale Kontakte zuständigen Genossen durch den kolumbianischen Geheimdienst im Zentrum von Caracas bekannt gaben. Die Aktion sei mit Unterstützung von US-Beratern und „korrupten Sektoren der venezolanischen Polizei“ organisiert worden, so die Farc. Kolumbiens Verteidigungsminister Jorge Alberto Uribe hingegen hielt unter Berufung auf die Polizei an der Version fest, Granda sei in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta festgenommen worden.

Das glaubt inzwischen niemand mehr. Granda sei am 13. Dezember – Tage nach seiner Teilnahme an einer „bolivarianischen Konferenz“ – von angeblichen Agenten des venezolanischen Geheimdienstes Disip entführt worden, hatte der Chefredakteur der kommunistischen Wochenzeitung Voz, Carlos Lozano, bereits vor Weihnachten gesagt. Einige der in vier Fahrzeugen angefahrenen Agenten hätten sich durch ihren kolumbianischen Akzent verraten. Anschließend wurde Granda offenbar in die Disip-Zentrale und von dort aus 14 Stunden lang in einem Kofferraum nach Cúcuta transportiert, wobei mehrere Militärsperren passiert wurden.

Gustavo Petro, der Vorsitzende der kolumbianischen Mitte-links-Partei „Demokratischer Pol“, bezifferte die Kosten der Geheimdienstaktion auf zwei Millionen Dollar. Profitieren würde durch solche illegalen Operationen vor allem die Guerilla, meint Petro: „Das Interesse der Farc ist es, zu zeigen, dass die Regierung Uribe den Rechtsstaat verletzt.“

Doch nicht nur die kolumbianische Regierung steht blamiert da. Auch Chávez ist in der Klemme. Einerseits sympathisieren Teile seiner Basis offen mit der Farc. Andererseits hatte er 2004 zielstrebig am Ausbau der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen gearbeitet und sein Verhältnis zu Präsident Álvaro Uribe verbessert. In einem Offenen Brief forderten jetzt Noam Chomsky und andere Linksintellektuelle Chávez auf, die Beteiligung der Disip-Agenten aufzuklären, die an die grenzüberschreitende Repression in den 70er-Jahren erinnere. Auch gebe es Beweise für die Mitarbeit venezolanischer Uniformierter an der Entführung und Ermordung kolumbianischer Bauernaktivisten.

GERHARD DILGER