Nilpferd mit Noppen

Frank Müller sorgt mit seinem Team in der Tischtennis-Bundesliga für Aufsehen, auch weil er nur Doppel spielt

WÜRZBURG taz ■ Ganz aus der Reserve lässt sich Torben Wosik nicht locken. Aber so viel ist sicher: Angst vor dem „Nilpferd mit Noppen“ hat der 31-Jährige nicht. Es soll heute Abend ruhig im schwäbischen Frickenhausen an die Platte stapfen. „Ich würde mich freuen, wenn Frank Müller spielt. Aber ich beschäftige mich nicht mit seinem Einsatz“, entgegnet der Vizeeuropameister auf die Provokation des Hobby-Tischtennisspielers und Würzburger Hauptsponsors, der im Bundesliga-Spitzenspiel einen eigenen Einsatz andeutet: „Warum nicht? Gegen Torben Wosik und Bojan Tokic habe ich eine realistische Chance. Selbst wenn ich um 4 Uhr nachts betrunken an den Tisch ginge, würde ich nicht schlechter als Feng Zhe abschneiden, der im Vorrunden-Match ein Totalausfall war!“

Trotz des dreifachen 5:11 von Feng Zhe gegen Tokic zeigte das Team von „Müller Würzburger Hofbräu“ damals aber gegen den TTC Frickenhausen, der vor der Saison als Titelfavorit gehandelt worden war, ein „Riesenspiel“ und siegte 6:2. Der Grundstein zur Herbstmeisterschaft der Franken. Die Chancen auf das Erreichen der Playoffs beziffert Müller mit 40 Prozent. „Und wenn wir gegen Frickenhausen und Gönnern insgesamt zwei Zähler holen, reicht es.“ Dem Klub des Weltranglistenvierten Timo Boll, der soeben seinen Vertrag bis 2007 in Gönnern verlängerte, räumt er ebenso wie Wosik geringe Chancen auf die Playoffs ein. Düsseldorf, Meister Ochsenhausen und die derzeit nur fünftplatzierten Frickenhausener überflügeln ihrer Ansicht nach auch den Vorrundenzweiten Plüderhausen.

Um den Titel im „Visier zu behalten“, lief der bekennende Selbstdarsteller Müller in dieser Saison lediglich im Doppel viermal auf. Zusammen mit dem weißrussischen Abwehr-Ass Jewgeni Schetinin gelangen dem „größten Einzelsponsor der Bundesliga“ gegen Schlusslicht Gräfelfing sogar zwei Erfolge. Der Chef der Frank Müller GmbH, der seine Firma als „bundesweiten Marktführer bei der Sanierung von denkmalgeschützten Altbauten“ betrachtet, ist damit der einzige Tischtennisspieler, der in allen deutschen Ligen von der Kreisklasse III aufwärts Spiele gewann. Eine erstaunliche Leistung für einen, der erst mit 17 Jahren von Pingpong infiziert wurde und überhaupt keine Eignung für Sport zu besitzen scheint.

Der 40-Jährige freut sich zwar, dass er auf dem Weg vom heimischen Düsseldorf zu seinem Firmensitz im sächsischen Weischlitz direkt an der Würzburger Trainingshalle vorbeikommt – gewöhnlich lässt sie Müller indes links liegen. Immerhin: Vor dem wichtigen Duell in Frickenhausen hat er sich mit einer zweistündigen Übungseinheit fit gemacht. Wohlgemerkt fit für seine Verhältnisse. Das Kampfgewicht sank zuletzt von 96 auf derzeit 88 Kilogramm – bei lediglich 1,73 Meter Körpergröße. Weil Müller nicht wie ein flinker Zelluloid-Artist schnelle Angriffsbeläge einsetzen kann, versucht er mit speziellen Noppen-Belägen das gegnerische Spiel zu zerstören. Seinen größten Triumph feierte er vor zwei Jahren im Pokal. Gegen Timo Boll drehte er im ersten Satz ein 6:10 zu einem 12:10. Das feierte er mit einem Urwaldschrei und „Müller für Deutschland“-Gebrüll – die weiteren Sätze gegen Boll interessierten ihn herzlich wenig.

Das Image des Bundesliga-Lautsprechers sei „inzwischen in den Hintergrund getreten. Ich gelte nicht mehr als das verrückte Enfant terrible“, meint Müller. Sein Einfallsreichtum wird im Ligaausschuss geschätzt. „Vor Müller muss man den Hut ziehen. Ich finde es gut, dass sich einer so für Tischtennis engagiert“, befindet Wosik. Selbst sein ausgeprägtes Ego stellt Müller mittlerweile zurück: „Nächste Saison habe ich auch noch die Möglichkeit, ein Einzel in der Bundesliga zu gewinnen. Weil wir Meister werden wollen, spiele ich nur, wenn’s Sinn macht.“ Deswegen kommt in Frickenhausen allenfalls ein Einsatz im Doppel in Betracht.

Um den von Wosik angestrebten Punkt auch in der Tabelle gutgeschrieben zu bekommen, sollten die Frickenhausener heute Abend ihre Halle gut heizen. Würzburg verlor am Wochenende im Europapokal-Achtelfinale bei Club Cajasur Priego mit 1:3 – allerdings baut Müller auf einen erfolgreichen Protest. In der Halle der Spanier betrugen die Temperaturen nur zehn anstatt der mindestens vorgeschriebenen 16 Grad. „Ein Ersatzspieler von Priego saß mit Mütze, Handschuhen und Skihose auf der Bank“, klagte Müller. Aber „wie es sich für einen professionellen Manager gehört“, hatte er ein digitales Thermometer dabei und ließ sich vom ansonsten widerspenstigen Oberschiedsrichter die Messung schriftlich bestätigen. HARTMUT METZ