Zwang zur Therapie

Suchtexperten warnen vor finanziellem Druck auf Abhängige: „Hohe Eigenmotivation erforderlich“

RUHR dpa/taz ■ Suchtexperten kritisieren den steigenden Druck auf Alkohol- und Drogenkranke: Besonders abhängige Empfänger des neuen Arbeitslosengelds II sollen künftig weniger Geld erhalten, wenn sie sich weigern, an einer Therapie teilzunehmen oder einen Entzug zu machen. „Druck allein reicht für eine erfolgreiche Behandlung nicht aus“, glaubt Christian Bakemeier, Abteilungsleiter beim Gemeindedienst im Evangelischen Johanneswerk. „Maßgeblich für das Erreichen einer dauerhaften Abstinenz wird auch weiterhin eine hohe Eigenmotivation der Betroffenen sein. Diese ist erfahrungsgemäß am ausgeprägtesten, wenn die Patienten freiwillig den Weg in die Beratungsangebote finden“, so Bakemeier.

Zwangsmaßnahmen seien in erster Linie gegenüber Personen zu erwarten, die langzeitarbeitslos und chronisch suchtmittelabhängig seien, sagte Bakemeier. „Bei der aktuellen Arbeitsmarktsituation gehe ich nicht davon aus, dass eine nennenswerte Zahl dieser Personen erfolgreich in Beschäftigung vermittelt werden kann. Sanktionsdruck wie gekürzte oder verwehrte Leistungen gehen hier also einseitig zu Lasten Betroffener und würden für viele eine angemessene gesellschaftliche Teilhabe erschweren“, fürchtet der Experte.

Nach Schätzungen der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen ist jeder zehnte der bundesweit 2,7 Millionen Arbeitslosengeld II-Bezieher abhängig, die meisten von Alkohol. Nach den ursprünglichen „Fördern und Fordern“-Prinzip der Hartz-Gesetze sollte mit jedem Arbeitssuchendem ein Konzept zur Überwindung der Arbeitslosigkeit erarbeitet werden, das auch persönliche Probleme aufgreift. Neben Alkohol- und Drogentherapien sollten Langzeitarbeitslose etwa über Schuldnerberatungen neu motiviert werden. WYP