Menschendenkmale

Im Berliner Georg Kolbe Museum hat sich eine illustre Gesellschaft von längst Verstorbenen versammelt. Rund sechzig Totenmasken von Berühmtheiten hängen an den Wänden. Die männliche Dominanz (nur drei Frauen neben sechzig Männern) zeigt: Es handelt sich um eine historische Veranstaltung.

Totenmasken – viele Zeitgenossen halten das für eine Fixierung der Vergangenheit. Sie dienten als Ersatzidentität der Verstorbenen in ägyptischen und römischen Beerdigungsritualen, und später, in Mittelalter und Renaissance als Vorbilder für Statuen, die man von Herrschern und Kaisern herstellen ließ. Dann verlor das Jenseits an Wichtigkeit. Voltaires Totenmaske markiert einen neuen Kult. Das Abtasten des Kopfes, die Kraniologie, sollte Rückschlusse vom Körper auf den Geist geben.

Lessings Totenmaske (die erste Maske eines Bürgerlichen) soll bereits aus reinen Verehrungszwecken angefertigt worden sein. Von Goethe haben wir nur eine Lebendmaske. Er wehrte sich vehement gegen den Kult. „Doch bleibt immer das schönste Denkmal des Menschen eigenes Bildnis. Dieses gibt mehr als irgend etwas anderes einen Begriff von dem, was er war“, erklärt der Architekt in den „Wahlverwandtschaften“ von 1809. In einer Totenmaske werde der Mensch jedoch nur unzulänglich ausgedrückt. „Da wird ein Toter geschwind noch abgegossen und eine solche Maske auf einen Block gesetzt, und das heißt man eine Büste.“

Von der „Unbekannten aus der Seine“ glaubt man heute, dass sie gar keine Totenmaske ist, erklärt Thomas Pavel, Kurator der Ausstellung „Das letzte Bildnis. Totenmasken aus drei Jahrhunderten“ (noch bis zum 13. Februar). Trotzdem hat das Lächeln der vermeintlichen Selbstmörderin zu großen Spekulationen geführt: „ein Lächeln der Annäherung an eine Wonne, ein Erwartungslächeln“, schreibt Alfred Döblin in „Von Gesichtern“. Von großen Männern hingegen sagt er: „Es ist die ganze Unmasse des Momentanen, Beweglichen auf diesen Gesichtern wegradiert. Der Tod hat eine massive Retusche vorgenommen.“ Und: „Das war eine Zeitlang Dante, Fox, Friedrich der Große – jetzt sind es alle Besiegte, Befriedete, ruhige Objekte.“

Viele reiche bürgerliche Familien sicherten das Andenken an die Vorfahren durch Totenmasken – und stellten ihre Lieben so in die Tradition der Berühmtheiten. Aber die Überpräsenz des Todes in den Weltkriegen des 20. Jahrhundert habe den Sinn nach dem letzten Antlitz verleidet, meint der Bildhauer Holger Schmidt. jul