Ein ehemaliger IT-Guru wird Wohltäter

Der Schwede Johan Staël von Holstein sammelt Geld für thailändische Flutopfer und übergibt die Hilfe persönlich

„Was denn? Ausgerechnet ihm sollen wir Geld anvertrauen?“ Die ersten Kommentare in den einschlägigen schwedischen Internetforen fielen eindeutig aus. Johan Staël von Holstein, der in den Neunzigerjahren zu Zeiten des IT-Booms Millionen an Aktionärsgeldern in den Sand gesetzt hatte, scheint vielen nicht unbedingt die glaubwürdigste Adresse, wenn es jetzt darum geht, Katastrophenhilfe in die richtigen Kanäle zu leiten.

Doch den 41-Jährigen störten solch Reaktionen nicht. „Ich dachte mir, dass keiner etwas für die direkt betroffenen Thailänder tun würde“, berichtet er am Mittwoch der Web-Ausgabe der Stockholmer Tageszeitung Svenska Dagbladet. Deshalb sei er kurzerhand selbst mit 100.000 Kronen (circa 11.000 Euro) in der Tasche nach Phuket geflogen. Dort warf er zwar nicht auf der Straße Geldscheine unters Volk, wie die Boulevardpresse gleich wissen wollte, ist aber doch offenbar bemüht, direkt und unmittelbar zu helfen.

„Wir haben ein halbes Jahr hier gelebt und auch öfters Urlaub gemacht – ich erstmals als Rucksacktourist vor 25 Jahren. Viele Freunde sind verschwunden.“ Auf einer Internetseite (www.staelvonholstein.com) begründet von Holstein seinen Einsatz und verspricht: „Jede Krone geht direkt in Hilfsleistungen.“ 602.603 Kronen (ca. 66.000 Euro) waren am Mittwochnachmittag auf das private Hilfskonto seiner Familie eingegangen.

Eigentlich sollte die ganze Spendensumme einem Ort, der Phi-Phi-Insel, zugute kommen, „damit man auch ein Resultat sieht“. Das erwies sich wegen der umfassenden Zerstörung aber als unrealistisch. Deshalb kaufte der 41-Jährige Töpfe, Teller, Werkzeug, Planen und Spielzeug, Dinge, die er dann per Lkw persönlich in Phuket und Umgebung verteilte. Von Holstein hofft auch auf die Realisierung eines größeren Projekts: von schwedischen Firmen finanzierte Wasserreinigungsanlagen.

Bevor die IT-Seifenblase zerplatzte, galt Johan Staël von Holstein in Schweden als das Sinnbild des erfolgreichen Unternehmers und Managementgenies. Anfang der Neunzigerjahre hatte er die Internet-Firma Icon MediaLab gegründet, die wie ein Komet an der schwedischen Börse aufstieg. Sein Bild prangte auf den Titelseiten der Zeitschriften, er wurde „Unternehmer des Jahres“, in Talkshows immer gern gesehen, wenn ein „Experte“ gefragt war. 1998 kündigte er an, sich in drei Jahren zur Ruhe setzen zu wollen. Dann sei er 38 Jahre alt, habe 50 Millionen Dollar und könne den Rest seines Lebens genießen: „Ich verachte Leute, die ihr ganzes Leben für ihre Karriere opfern.“ Schon in der Schule sei sein Ziel gewesen, Millionär zu werden, vertraute er damals dem Männermagazin Slitz an: „Doch das verbrät man ja mit Klamotten und Möbeln in ein paar Monaten.“

Nicht lange nach diesem Interview ging es rapide bergab. Von Holstein backte in den letzten Jahren kleinere Brötchen und ist jetzt TV-Moderator.

REINHARD WOLFF