Mit Kinderwagen zu Klein Erna

Markantes Programm zur Neueröffnung: Seit Montag ist das Studio-Kino in St. Pauli wieder in Betrieb

von Christine Schams

Man muss schon zweimal hinsehen: Auf den strahlend weißen Flügeltüren zum großen Saal prangen Filmplakate großer Klassiker wie Der dritte Mann, Tod in Venedig und Klein Erna auf dem Jungfernstieg. Im aufwändigen Siebdruckverfahren, das ursprünglich nur für das Bedrucken von Textilien verwendet wurde, wurden diese Bilder auf die Türen aufgepinselt; zugleich sind sie Symbol für das, was sich dahinter verbirgt: das Studio-Kino, das seit vergangenen Montag wieder geöffnete Lichtspieltheater mitten in St. Pauli.

Vor knapp zwei Jahren fiel in dem Kino in der Bernstorffstraße, damals noch unter Ufa-Leitung, der letzte Vorhang. Die Mieten waren zu hoch, die Einnahmen zu niedrig, der Ufa-Konzern stand kurz vor der Pleite und zog sich aus St. Pauli zurück.

Einzig der Schriftzug „Studio“ am Gebäude erinnerte seither an das einstige Lichtspieltheater – und fiel Torben Scheller im August diesen Jahres bei einem Straßenfest ins Auge. „Warum kümmert sich diesem Viertel keiner um das Kino?“, fragte sich der gelernte Filmkaufmann. Seit vier Jahren betreibt Scheller in Hannover ein Programmkino, in einem ähnlichen Viertel wie St. Pauli.

Scheller, in Hannover wie in Hamburg zu Hause, nahm Kontakt zum Inhaber auf und legte ihm ein Konzept vor: aktuelle Filme, die in den großen Kinos bereits wieder abgesetzt sind oder einen Bezug zu Hamburg haben, will er zeigen, dazu Klassiker, Kinderfilme und Specials – kurz: Das „Studio“ sollte als Programmkino wieder eröffnen. Der Inhaber war von dem Konzept begeistert, zumal es das benachbarte Atrium sinnvoll ergänzt: Dort wird Ende Januar im unteren Bereich eine Bar-Lounge eröffnet, während das obere Stockwerk architektonischen Ausstellungen gelten soll.

Ein Kino zu betreiben in Zeiten, in denen kleine, alteingesessene Programmkinos ums Überleben kämpfen oder gar schließen müssen und selbst große Konzerne sinkende Einnahmen verzeichnen, ist riskant. Das weiß Torben Scheller, der das jedoch nüchtern kommentiert: „Wenn ich das große Geld verdienen wollte, müsste ich sicher in etwas anderes als Kino investieren. Ein Stück Selbstausbeutung gehört eben dazu.“

Um sich von anderen Kinos abzugrenzen, hat sich Scheller bei der Programmgestaltung einiges einfallen lassen: Ähnlich den amerikanischen „movies for mummies“ gibt es im „Studio-Kino“ das Kinderwagen-Kino, in das Eltern ihre Kinder in die Vorstellung mitbringen dürfen. Die Filme laufen in gemäßigter Lautstärke, der Saal ist während der Vorstellung leicht beleuchtet. Wickeltisch und Parkmöglichkeit für den Kinderwagen sind vorhanden. Nur die Windeln müssen selbst mitgebracht werden.

Im großen Saal mit 204 Plätzen sind aktuelle Filme, Vorpremieren und Filmklassiker zu sehen. Im kleinen Saal mit 98 Plätzen laufen aktuelle Filme, die es in Hamburg nicht mehr zu sehen gibt, oder Erstaufführungen. Neben einem bestimmten Niveau legt Scheller bei der Auswahl Wert auf Filme, die einen Bezug zu Hamburg oder zum Stadteil haben – wie zum Beispiel Fatih Akins mehrfach preisgekrönten Film Gegen die Wand oder kleine Freiheit, der auf St. Pauli gedreht wurde. Der läuft am 17. Januar beim MonGay, dem schwulen Kino im „Studio“, das künftig an jedem dritten Montag im Monat stattfinden soll. Jeden zweiten Montag steht lesbisches Kino, WoMonGay, auf dem Programm.

Als Special laufen parallel zu aktuellen Filmen im „Studio-Kino“ die Klassiker – derzeit Alexander der Große mit Richard Burton und Elisabeth Taylor aus dem Jahr 1956. Im Rahmen mehrerer Kinonächte im Januar sollen Kill Bill 1 und 2, die Herr der Ringe-Trilogie und das Paris-Doppel before sunrise und before sunset gezeigt werden. Zusätzlich laufen jeden Tag vor den Vorabend- und Hauptvorstellungen Kurzfilme, die sonst nur bei speziellen Festivals zu sehen sind.

Am Wochenende ist dann Kinderkinozeit: Jeden Sonntag um 14 Uhr ist das Programm für Klassiker wie Astrid Lindgrens Lotta aus der Krachmacherstraße, Wiedersehen in Büllerbü oder Amy und die Wildgänse reserviert. Der Eintritt ins Kinderkino ist übrigens günstiger als jeder Video- oder DVD-Verleih: Klein und Groß zahlen nur zwei Euro.

Außerdem kann das Kino für Geburtstage, Weihnachts- oderBetriebsfeiern gemietet werden. Und für Filmfreaks, die den großen Auftritt beim Partner planen, hat Torben Scheller einen besonderen Service: Der Heiratsantrag kann direkt von der Leinwand ins Publikum gebeamt werden.

Mit dieser Programmgestaltung will Scheller das „Studio-Kino“ in St. Pauli auf Dauer etablieren.Wichtig dabei ist ihm vor allem eins: „Spezialitätenfilme, wie sie im 3001 oder B-Movie laufen, werden im ,Studio-Kino‘ nicht gespielt. Ich finde toll, was dort gezeigt wird und verstehe das ,Studio-Kino‘ nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung“, sagt Scheller, „als Ergänzung zu allen anderen Kinos.“

Studio Kino, Bernstorffstraße 93-95, www.studio-kino.de