Karlsruhe hilft Vater

Bundesverfassungsgericht rügt OLG Naumburg und spricht Kazim Görgülü Umgangsrecht mit seinem Sohn zu

FREIBURG taz ■ Wohl zum ersten Mal hat das Bundesverfassungsgericht einem Vater per einstweiliger Anordnung ein Umgangsrecht mit seinem Kind zugesprochen. Erfolg hatte der in Sachsen-Anhalt lebende Türke Kazim Görgülü, dessen Fall Karlsruhe schon mehrfach beschäftigt hat,

Görgülü ist Vater eines heute fünfjährigen Sohns. Die deutsche Mutter hatte sich schon vor der Geburt des Kindes von ihm getrennt. Seither lebt der Junge bei einem Lehrerehepaar, das ihn adoptieren möchte. Doch Görgülü will gemeinsam mit seiner neuen Partnerin selbst das Sorgerecht übernehmen.

Weil ihm deutsche Gerichte nicht einmal ein Umgangsrecht einräumten, sprach ihm der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im letzten Frühjahr Schadenersatz zu. Doch auch danach entschied das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg: Görgülü darf seinen Sohn nicht sehen. In der Folge kam es zum Streit, ob Vorgaben aus Straßburg für deutsche Gerichte verbindlich sind. Karlsruhe entschied im Oktober, dass EGMR-Urteile „zu berücksichtigen“ sind, und wies den Streit nach Sachsen-Anhalt zurück.

Inzwischen hat das Amtsgericht Wittenberg Görgülü das Recht eingeräumt, sein Kind jeden Samstag zwei Stunden lang zu sehen. Doch das OLG Naumburg hob den Beschluss wieder auf. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hat das OLG damit aber nicht nur seine Kompetenzen im Eilverfahren überschritten, sondern auch die EGMR-Rechtsprechung zu wenig beachtet. Schon am Samstag kann Görgülü sein Kind wieder besuchen. (Az.: 1 BvR 2790/04)

CHRISTIAN RATH