berliner szenen Die gute Tat

Ein Theaterbesuch

Neulich bin ich doch wieder drauf reingefallen, weil eine Freundin so begeistert von dem Stück geschwärmt hat. Warum es nicht mal wieder versuchen, vielleicht habe ich ja bisher bloß Pech gehabt, dachte ich. Damit es ein rundes Ereignis werden konnte, telefonierte ich ein paar Freunde zusammen und traf mit meiner Gruppe in der kleinen, als Theater definierten Halle ein.

Wir nahmen Platz und bemühten uns, einer Frau mit weiß geschminktem Gesicht zuzuhören, die in die rechte obere Ecke des Raumes starrte und immer wieder denselben Satz wiederholte. Viele Leute mit geweißten Gesichtern rannten herum, kamen aus der Puste und wiederholten immer atemloser ihren Text. Sie wechselten ständig die Kostüme oder rissen sich ihre Kleider – laut schreiend – direkt vor Ort vom Leib. Erfüllt von der Hoffnung, dass bald etwas passieren würde, was ich auf mich, die Welt, das Leben, irgendwas beziehen könnte, verfolgte ich ihr Treiben. Mitten in meiner Suche fiel mir auf, dass sich meine Bezugsgruppe mit dem gleichen Problem herumschlug. Wir verständigten uns zügig per Augenkontakt und schlichen hinaus.

„Das Stück war gut recherchiert“, bemerkte einer meiner Bekannten versöhnlich, als wir im Freien standen. „Ja, die Schauspieler waren auch klasse“, sagte ein anderer. „Bin ich spießig, wenn mir das nicht gefällt?“, fragte eine Freundin unsicher. „Vielleicht sollst du dich ja spießig fühlen“, sagte eine andere Freundin. „Wenn die sich beweisen wollen, dass sie total ausgeflippt und tabulos sind, kommt ihnen so eine wie du wahrscheinlich gerade recht.“ – „Ja, aber glaubst du, dass die sich nur deshalb so anstrengen?“, zweifelte ein Freund. „Ja, warum nicht?“, sagten wir und gingen schön essen.

KATHARINA HEIN