Bankerin unterliegt Merrill Lynch

7,5 Millionen Pfund verlangte Stephanie Villalba von ihrem Arbeitgeber – wegen sexueller Diskriminierung. Londoner Gericht: Nur Kündigung war nicht rechtens

DUBLIN taz ■ 17 Jahre lang hatte die 42-jährige US-Amerikanerin Stephanie Villalba für Merrill Lynch gearbeitet, zuletzt als Leiterin des europäischen Private-Banking-Geschäfts. Im Juli 2003 wurde sie entlassen. Villalba behauptet, sie sei diskriminiert, schlechter als ihre männlichen Kollegen bezahlt und zu Unrecht entlassen worden. Lediglich im letzten Punkt gab ihr das Tribunal in Croydon bei London Recht.

Diskriminiert worden sei sie jedoch nicht und schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen auch nicht, so die Richter: Sie verdiente in Spitzenzeiten 700.000 US-Dollar im Jahr.

Für die Bank zu arbeiten sei eine Berufung für sie gewesen, sagte Villalba. Ihr Vater hatte 40 Jahre lang für Merrill gearbeitet, ihre Schwester 5 Jahre, und ihr Bruder in New York ist noch immer bei der Bank beschäftigt. Aus der Berufung sei bald ein Albtraum geworden: „Ich würde Merrill Lynch als institutionell sexistisch beschreiben“, sagte Villalba vor dem Tribunal. So habe ihr Chef sie angewiesen, den Kollegen Getränke zu servieren. Bei einem Flug mit dem Privatjet der Bank musste sie den Sitz der Stewardess einnehmen.

Merrill bestritt die Vorwürfe vehement. Villalba sei entlassen worden, weil ihr Geschäftsbereich wöchentlich eine Million Pfund Verlust gemacht habe, sagte der Anwalt der Bank. Im Übrigen sei sie von einer anderen Frau mit besserem Führungsstil ersetzt worden. Man habe ihr zwei Posten angeboten, die sie abgelehnt habe. Nach dem Urteil sagte ein Sprecher der Bank erleichtert: „Wir haben von Anfang an gesagt, es gehe hier nicht um das Geschlecht, sondern um die Leistung.“

In den USA hingegen musste Merrill in diesem Jahr mehr als 100 Millionen Dollar an 900 weibliche Angestellte zahlen, die sich über Diskriminierung beschwert hatten. Im April bescheinigte ein US-Gericht der Bank, weitreichende Diskriminierung zu praktizieren. Seitdem feilt die Bank an ihrem Image. Zu dem Tribunal hatte sie aus der ganzen Welt Zeugen herangeschafft, die Villalba widerlegen sollten.

Ungeschoren blieb die Bank indes nicht. Das Tribunal monierte die Undurchsichtigkeit in der Einstellungs- und Beförderungspolitik. Es herrsche „eine Kultur der Geheimhaltung und Verschleierung, was die Gehälter betrifft, sowie eine willkürliche Verteilung von Bonuszahlungen“, heißt es in dem Urteil. Darüber hinaus enthielten einige interne E-Mails „ein Maß an Feindseligkeit, persönlichen Angriffen und Anschuldigungen, die in keinem Verhältnis zu Frau Villalbas angeblichen Unzulänglichkeiten stehen“. Die Höhe des Schadenersatzes wird im nächsten Jahr festgelegt, es werden aber höchstens 55.000 Pfund sein. Die decken bei weitem nicht Villalbas Gerichtskosten.

RALF SOTSCHECK