„Sein Inneres sehen“

Ob als Teppich, als Stickbild oder Salzteig: In Eva Schneiders Werk dreht sich alles um unser Bild vom werdenden Leben. Ein Gespräch über gestickten Ultraschall, gebackene Föten und genetische Webfehler

INTERVIEW VON ANGELICA ENSEL

Ultraschalldiagnostik hat nicht nur das Erleben der Schwangerschaft maßgeblich verändert. Die Techniken der Visualisierung haben den Fötus zu einem Symbol gemacht – ein Bruch in der Geschichte unseres Körpers, wie die Körperhistorikerin Barbara Duden sagt: „Gültigkeit hat das, was einem gezeigt wird, und nicht, was die Frau erlebt; wissenschaftliche Tatsachen werden zu einem populärwissenschaftlichen Emblem umgewandelt.“

Eva Schneider, 44, beschäftigt sich seit Jahren mit den Wirkungen der pränatalen Diagnostik. Ihre zum Teil sehr farbenfrohen Handarbeiten – Wandteppiche, Stickbilder, Weißstickereien, Filethäkeleien, Quilts, Salzteigarbeiten und Schreine – zeigen den Fötus als Emblem, in seiner embryonalen Urform oder als fehlgebildetes Wesen. Eva Schneider absolvierte eine Ausbildung zur Metallflugzeugbauerin bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm in Hamburg-Finkenwerder, später studierte sie an der HfbK in Hamburg Kunst. Neben ihrer künstlerischen Tätigkeit ( www.anatomie-in-heimarbeit.de ) arbeitet sie in der Tagesförderstätte der Alsterdorfer Anstalten. Sie lebt in Lüneburg.

taz.mag: Frau Schneider, alle Ihre Arbeiten kreisen um das Thema Geburt, Reproduktion. Wie sind Sie gerade auf dieses Sujet gekommen?

Eva Schneider: Über meine erste Schwangerschaft, 1988. Ich war ganz erstaunt, dass alles seinen Gang ging. Ich brauchte ja eigentlich nichts zu tun, alles geschah von selbst. Damit konnte ich gar nicht so gut leben. Als das Kind dann aus dem Bauch war, musste ich es noch einmal in Holz schnitzen. Ich habe zwei Monate an einer Skulptur geschnitzt, um das „Produzieren“ noch einmal nachzuarbeiten, weil ich den Eindruck hatte, ich habe damit nichts zu tun. Das hatte wohl mit einem technischen Körperverständnis zu tun, mit dem ich offensichtlich aufgewachsen bin: dass es nicht sein kann, dass man nichts tut und trotzdem etwas herauskommt, sogar etwas Perfektes.

Das hat Sie irritiert.

Ja. Auch die Geburt war so; alle diese Körpervorgänge fand ich sehr erstaunlich. Dazu hatte ich offensichtlich keinen Bezug. Ich konnte nichts aktiv tun. Das Beste, was ich tun konnte, war, es zu lassen. Diese Erfahrung hat mich offenbar schwer beeindruckt. Die Figur ist übrigens nicht besonders gut geworden, aber es war irgendwie nötig, um das Gefühl zu haben, man hat das auch erarbeitet.

War der Grund für Ihre gestickten Ultraschallbilder auch Verunsicherung?

Auf der einen Seite war da der Wunsch, dass man sein Innerstes auch sehen wollte, auf der anderen Seite habe ich gedacht, die können mir ja sonst was zeigen. Was haben diese Schwarz-weiß-Bilder auf diesem Monitor mit dem, was in meinem Bauch passiert, eigentlich zu tun? Das konnte ich nicht zusammenbringen.

Seither hat Sie das Thema nicht mehr losgelassen. Wie entstehen die Ideen für Ihre Arbeiten?

Zum einen beschäftige ich mich mit der Reproduktionstechnologie und der ethischen Diskussion. Zum anderen sehe ich Filme im Fernsehen und wundere mich – wie viele – darüber, was möglich ist und immer selbstverständlicher wird, nicht nur bei der Reproduktion, auch beim Ersatz von Körperteilen, von Organen oder bei Schönheitsoperationen. Aber ich spüre auch meine eigene Ambivalenz. Ich merke, dass sich meine Beurteilung, was gut und was schlecht ist, was machbar und was nicht machbar sein kann, ständig verschiebt. Ich hätte vor zehn Jahren noch gesagt, Herztransplantationen würde ich nie machen. Das könnte ich jetzt nicht mehr so selbstverständlich sagen. Das gilt genauso für Frühchen. Wenn ich selbst so ein Frühchen bekäme, müsste ich sagen: Nein, ich möchte nicht, dass es an diese Maschinen angeschlossen wird. Das lass ich mir natürlich gerne abnehmen. Und wenn ich dann sehe, wie viele dann doch ganz gut durchkommen, kann ich nicht einfach sagen, ich mache das nicht.

Erst gibt es das technisch Machbare, das man kritisch betrachten kann, und dann geht es womöglich um das Schicksal von Menschen, die uns vertraut sind, oder sogar um uns selbst.

Mir geht es um das Verschieben von Grenzen. Wenn ich im Film sehe, dass lesbische Paare, die ein Kind bekommen möchten, sich tiefgefrorenen Samen aus Amerika einfliegen lassen und das dann in ihrer WG-Küche auspacken, hat das etwas völlig Irres. Aber die Frauen freuen sich offensichtlich über diesen Behälter. Und ich finde verrückt, dass so etwas immer normaler wird, wie die programmierten Geburten oder jetzt die Wunschkaiserschnitte, das passt da gut rein. Die Programmierung fängt mit der Pille an: Man wirft sie ein – Knopfdruck an/aus, fruchtbar/nicht fruchtbar. Das ist natürlich auch ein Fortschritt. Aber dieser Automatismus setzt sich einfach fort, sodass man meint, das Recht zu haben – vielleicht hat man das ja auch –, zu entscheiden: Möchte ich ein Gesundes, möchte ich auch ein Krankes? Und dann geht es nicht mehr nur um gesund oder nicht gesund, Mädchen oder Junge, sondern auch um alles andere. Warum eigentlich nicht? Es gibt eben heute die Möglichkeiten. Vor Jahren bin ich da sehr viel moralischer rangegangen. Geblieben aber ist das Befremden.

Und wie ist dann der Weg vom Befremden zur Kunst?

Mich beschäftigt vor allem das Bild. Dieser Kübel mit Kunsteis, der da in der Wohnküche dieser beiden Frauen steht. Ich frage mich: Was sehen die da? Sie sehen schon einen zukünftigen Menschen. Früher hatte man ein Kind im Kopf, und heute sind es eben Eizellen. Es gibt neue Bilder. Ein Bild, das jetzt häufig in den Medien auftaucht, ist diese Kanüle, die eine Eizelle ranzieht, dieser Klumpen mit dieser Nadel. Früher war es dieser Ultraschallembryo, dieses Urwesen. Das wurde abgelöst von der Nadel mit den Eizellen. Es wird immer mehr zerlegt.

Diese Bilder prägen unser Bewusstsein von dem, was Leben ist und was damit gemacht werden kann. Man kann es untersuchen, manipulieren oder verwerfen – eben etwas damit machen. Aber Sie machen ja auch etwas.

Ja, ich mache auch etwas. Ich habe große Teppiche aus Ultraschallbildern gemacht und auch eine Serie mit Ultraschallporträts gestickt. Denn diese Bilder haben für mich mehr als dieses Medizinische transportiert. Da ist mehr als nur dieses „Aha, da ist ein Kind, da ist alles dran oder eben nicht“. Diese Bilder haben etwas Kosmisches, was in der Werbung ja auch transportiert wird, das habe ich mit den Teppichen aufgegriffen. Dieser kosmische Sternenhimmel ist etwas Pathetisches. Es sind Erfahrungen, die wir alle machen: sterben, geboren werden, Universum. Dazu gibt es Urbilder bei allen Völkern. In vielen Ahnendarstellungen findet man diese Embryohaltung.

Da ist etwas Archaisches, was uns berührt.

Genau, das ist es wohl. Ich habe mich dann damit beschäftigt, was die schwangeren Frauen in diesen Bildern sehen. Sie sind ja emotional stark berührt davon. Das war ich nicht. Ich war nur erstaunt. Auch dieses große Interesse, diese Filme anzuschauen und sie mit nach Hause zu nehmen, der Familie zu zeigen und sie im Fotoalbum zu haben, eine neue Kultur, eine Bilderkultur.

Da ist keine Distanz mehr. Die Bilder selbst sind die Wirklichkeit, und die Wirklichkeit ist zu einem Bild geworden, wie Christina von Braun sagt. Sie spricht davon, dass die Metapher sich „beleibt“ hat.

Es gibt Untersuchungen darüber, dass sich die eigene Wahrnehmung stark verändert durch dieses Fernsehbild des Bauches. Bei mir waren es sowohl die Ultraschallbilder als auch diese Bilder von Lennart Nilsson aus dem Buch „Ein Kind entsteht“. Ich kam zum Arzt, bekam meinen Mutterpass, das Wartezimmer hing voll mit Lennart-Nilsson-Bildern. Ich hatte die vorher noch nie gesehen. Ich hatte mich nie damit beschäftigt. Und dann hatte ich diese Bilder im Kopf. Ich weiß nicht, ob ich eigene Bilder hatte. Mich hat das in irgendeiner Weise blockiert. Ich wusste nur, dass diese fleischfarbenen Krabben nichts mit mir zu tun haben – trotzdem hat es mich fasziniert.

Wie sind Sie darauf gekommen, Ultraschallbilder als Wandteppiche zu gestalten?

Über die Stickerei des Ultraschalls kam ich darauf, nach einer Möglichkeit zu suchen, das zu digitalisieren. Ich wollte diese gepixelten Fotos vom Ungeborenen übersetzen in ein anderes Medium, und da hat sich Stramin als Trägergrund angeboten. Ich habe große Teppiche gemacht, weil ich so erstaunt war, wie sehr die Leute von diesen Bildern fasziniert sind und dass sie ganz viele davon haben wollen. Deshalb dachte ich, ich mache einen ganz großen Ultraschallteppich, damit man darin puscheln kann.

Das Bild vom Embryo wird so wieder greifbar. Auf einen Teppich kann man sich legen, das Gewebe fühlen.

Man könnte es, aber es sind Wandteppiche. Die Stickereien, die ich danach gemacht habe, haben sich – wenn man so will – verselbstständigt. Ich bin einfach dabeigeblieben. Ich habe vorher nie gestickt, ich glaube, wenn ich als Kind mit Handarbeiten gequält worden wäre, hätte ich das nicht gemacht. Aber so ist es eine Tätigkeit, die man überall mit hinnehmen kann, wenn das Licht einigermaßen gut ist. Man muss auch keine schnellen Entscheidungen treffen, es dauert alles so seine Zeit. Das gefällt mir ganz gut. Ich finde es nicht unwichtig, dass man die Arbeit überall tun kann. Man kommt ja entsprechend auch mit Leuten ins Gespräch, das habe ich immer als angenehm empfunden. Das hat natürlich überhaupt nichts von dem Genie, wie man sich einen Künstler vorstellt, der sich zurückzieht.

Sie haben sich intensiv mit bildgebenden Verfahren und ihren Wirkungen beschäftigt. Was bedeutet das für Ihre eigene Arbeit?

Ich habe mir alle möglichen Verfahren angeschaut, auch solche, die bunt sind, wie Computertomografien. Dabei habe ich erfahren, dass Bilder aus dem Körper immer häufiger koloriert werden. Es gibt unter den Medizinern Experten, die die Bilder auf bestimmte Weise einfärben – und das ist ja eine Setzung, eine Entscheidung: Wie färbe ich ein Gewebe ein? Dabei geht es auch um Ästhetik, um künstlerische Fähigkeiten. Es werden komplexe Entscheidungen getroffen, und es geht auch darum, eine ausgewählte, eindrucksvolle, sogar gefällige Darstellung anzufertigen. Man denkt, man bekommt ein Bild, und so ist der Körper. Das ist natürlich Quatsch. Wenn man etwas rot einfärbt, erzielt man eine andere Emotion beim Betrachter, als wenn er ein blaues Bild anschaut. Diese Wirkungen hatte ich in den letzten Jahren bei meinen Arbeiten immer im Kopf.

Ihre Arbeiten haben auch etwas vordergründig Verspieltes, eine wohltuende Leichtigkeit. Als würden Sie bewusst eine naive Perspektive wählen, um von dort aus eine andere Ebene anzusprechen.

Bei mir funktioniert das über Bilder. Ich habe zum Beispiel bestimmte Vorlieben für Volkskunst unterschiedlichster Art, möglichst schon buntere Dinge. Im katholischen Raum gibt es die Votivbilder, die auch viele anatomische Details zeigen, da werden zum Beispiel alle Kinder abgebildet, die nach einer Geburt gestorben sind, oder nur Hände, Füße oder Herzen. Das finde ich interessant. In Afghanistan gibt es zum Beispiel eine lange Tradition, Teppiche zu knüpfen. Durch die vielen Kriege dort haben sich die Ornamente gewandelt. Da wurden Kriegsgeräte wie Panzer oder anderes in Ornamente verwandelt. Heute gibt es eine ganze Reihe von Kriegsteppichen. Das finde ich spannend, wie eine traditionelle Kultur modernisiert wird, wie sich uralte Ornamente ändern und neue Geschichten erzählen, aber ihre alte Art, zu erzählen, behalten. So etwas interessiert mich.

Bei Ihrer Arbeit verknüpfen sie Ebenen, Sie transformieren Perspektiven und bringen sie auch zusammen. Es wird ver-rückt.

Wie das genau funktioniert, weiß ich nicht. Ich habe viele Jahre nebenbei mit geistig Behinderten gearbeitet. So ist es kein Zufall, dass ich oft Sachen gestickt habe, die mit Behinderung zu tun hatten, die nicht so „in Ordnung“ sind.

In einem Vortrag haben Sie erwähnt, dass einige behinderte Frauen, mit denen Sie gearbeitet haben, anfingen, Ihre Ideen aufzugreifen.

In meiner Wohngruppe gab es zwei Frauen, die mir erzählten, dass sie diese Babys und all das, was ich damals so gestickt habe, auch gerne sticken wollten, weil sie zwangssterilisiert worden waren. Im Gegensatz zu mir waren sie durch die Beschäftigungstherapie gewohnt zu sticken. Sie fanden diese Tätigkeit für sich aber auch gut. In der Beschäftigungstherapie hatten sie Dinge gestickt, die ihnen vorgegeben wurden. Die eine Frau wollte Vorlagen von mir, hat aber auch selbst Entwürfe gezeichnet und gestickt. Die Interpretationen von anatomischen Zeichnungen durch die Frauen sind zum Teil sehr groß geworden. Es ist ganz interessant, welche Farben die Frauen ausgewählt haben, ich hatte nichts vorgegeben. Ich habe die Bilder später gekauft. Die Frauen wollten sie nicht behalten, für sie war das Sticken das Wichtigste.

Wie reagieren Menschen, die sich noch nie mit diesen Themen beschäftigt haben, auf Ihre Arbeiten?

Ganz unterschiedlich. Oft sind es Frauen, die selbst handarbeiten, die völlig begeistert sind. Von Männern kommt oft die Reaktion: „Oh Gott, so viel Arbeit!“ Es kommt auch auf die Szene an. Ich habe in einer Kirche in Hamburg ausgestellt, da ist kein typisches Kunstpublikum gekommen, da kamen Menschen aus St. Pauli. Die Reaktionen waren überwiegend positiv. Viele Leute sind mehrfach in die Ausstellung gegangen, das war auch bei meinen anderen Ausstellungen so. Manche haben fotografiert und waren vielleicht auch ganz froh, Bilder zu sehen, auf denen sie mal etwas erkennen konnten. Anders als mit vielen „modernen“ Arbeiten, die sich nicht sofort erschließen, kann man mit meinen Arbeiten in gewisser Weise etwas anfangen. Sie sind bunt und erst mal freundlich, auch wenn es zum Teil um wüste Themen geht. Und diese großen Teppiche haben auch etwas Sakrales. Sie passten in diese Kirche, auch die Weißarbeiten, Salzteigskulpturen oder die Reihe mit den goldenen Siamesen und meine Schreininstallationen. Das sind Schreine mit Beleuchtung, die es in türkischen Läden gibt, die ich dann anders gestalte.

Einige Arbeiten wirken wie Altäre.

Ich glaube, es geht um andere Dinge als nur um dieses Sehen von Föten. Die Menschen suchen etwas anderes darin. Eigentlich gibt es heute keinen Gott mehr, nicht wirklich. Die Kirche kann das nicht mehr auffangen. So werden die Kunsthallen zu großen Kirchen, und dort suchen die Menschen das, was sie früher in den Kirchen gesucht haben an Erbauung, an Erklärung und Sinnhaftigkeit. Insofern finde ich es ganz gut, dass diese Sachen in der Kirche hängen, weil das, was gesucht wird, glaube ich, da eher den Platz hat – dieses Unglaubliche der Schöpfung – dieser pathetische Kram. Das beschäftigt die Menschen immer noch.

Vielleicht ist es das, was Barbara Duden meint, wenn sie befremdet ist, wie über die befruchtete Eizelle als „ein Leben“ gesprochen wird.

Duden bezeichnet das als „Sacrum“. Sie sagt, in unserer Gesellschaft werde den Vorstellungen, die jenseits unseres unmittelbaren Erfahrungs- und Erlebnishorizonts liegen, eigentlich kein religiöser Charakter zugeschrieben. Und sie schlägt vor, die Manifestation des „Lebens“ im Fötus als ein solches Sacrum der Gegenwart zu deuten. Das empfinde ich auch so. Deswegen sind viele Arbeiten auch weiß – diese Weißstickereien, die Damastservietten, die auf der einen Seite dieses Sakrale haben, auf der anderen Seite auch dieses Medizinische, wie Laken – all dieses Weiß in der Medizin.

Und wie reagiert die Kunstszene auf Ihre Arbeiten?

Mein Material hat ja mit Handarbeiten zu tun, und dieses Material ist in der Kunstszene nicht positiv besetzt. Das hat so etwas Puscheliges. Und wenn man dieses Material schon verwendet – so wie das vor Jahren schon angefangen hat mit Rosemarie Trockel –, dann gibt es noch die Frage der Ausführung. Trockel hat dieses „peinliche“ Material nicht selbst bearbeitet. Sie hat die Konzeptarbeit gemacht und hat dann sticken oder stricken lassen. Ich werde häufig gefragt, warum um Himmels willen ich denn, wenn ich schon solche bunten Bilder mit diesem Material mache, mir das auch noch selbst aufbürde. Das ist offenbar für viele unerträglich. Man ist dann auf einer Puschelfrauen-Handarbeitsebene, das geht eigentlich gar nicht. Da kann man nicht ernst genommen werden. An der Kunsthochschule war das anfangs auch so.

Mit Werkstoffen wie Wolle oder Salzteig provozieren Sie natürlich auch Assoziationen von Haushalt und „weiblichen Handarbeiten“.

In gewisser Weise ja, aber die Themen sind ja alle gar nicht hausfraulich. Und die Bilder sind am Ende auch nicht puschelig – weder thematisch noch in der Ausführung. Trotzdem ist es offensichtlich nicht so gut auszuhalten, etwa meine gehäkelten Siamesen. Filethäkelei ruft ja auch bestimmte Assoziationen hervor. Ich mache mich nicht darüber lustig. Ich versuche, bestimmte Motive so umzusetzen, dass man anders schaut und es eine andere Ebene bekommt. Das gelingt manchmal mehr und manchmal weniger – und davon hängt die Technik ab, die ich benutze. Meine gegenständlichen Stickereien passen eben nirgendwo rein. Das will ich auch nicht bezwecken, das ist eben so. Diese Kategorisierung macht es mir schwer. Wenn ich mich zum Beispiel bewerbe und die Leute die Originale oder mich nicht kennen und man dann erklären muss: „Ich sticke Föten“ – das sage ich so nicht, aber ich erkläre es, und dann können sich die Leute das nicht vorstellen. Das ist mir unangenehm und ich mag es nicht tun. Aber wenn meine Arbeiten ausgestellt sind, funktioniert das meistens ziemlich gut.

Für Sie hat es aber auch eine Bedeutung, das selbst auszuarbeiten?

Ich bin da nicht dogmatisch. Ich lasse Sachen machen, wenn ich es selbst nicht kann, wie die Weißstickereien oder die gewebten Sachen. Da habe ich Entwürfe gemacht, wie bei der Damastserviette oder dem gewebten Gobelin, ich kann eben nicht Gobelin weben. Der Weber hat ein halbes Jahr daran gewebt. Ich würde es vielleicht ganz gerne lernen, aber das sind auch Projekte, die kann man nicht mitnehmen, das passt mir nicht so gut. Ich könnte die Stickbilder aber auch gar nicht in Auftrag geben. Wenn sie fertig sind, schon. Dann könnte ich sagen: So, bitte kopieren!

Ist die Beiläufigkeit des Arbeitens auch methodisch gewollt? Das Kind wächst ja auch von selbst.

Keine Ahnung. Wenn ich nur im Atelier hätte arbeiten müssen, hätte ich einfach viel weniger machen können. Es war für mich auch eine Möglichkeit, immerzu arbeiten zu können und dabei noch andere Dinge zu hören und zu sehen. Ob ich nun auf dem Spielplatz oder im Schwimmbad rumsitze. Ich hatte es zeitweilig überallhin mitgenommen, das war sehr praktisch. Ich bin immer ein Freund des Handwerks gewesen. Nur mit dem Material gibt es immer gewisse Probleme. Umso mehr übrigens, je bunter es ist. Meine Theorie ist, dass das im Norden noch schwieriger ist. Der Protestantismus hat mit Farben nicht viel am Hut. Und wenn es dann noch glitzert, wird das schnell zu viel. Im Katholizismus sind die Menschen eher gewöhnt, so etwas anzuschauen, oder in anderen Kulturen. Diese Gratwanderung, dass es immer haarscharf daneben ist und man nicht weiß: Ist das jetzt bildende Kunst? – Welche Strategie wird verfolgt? – Ist es Grafik? – Ist es Kunsthandwerk? – Ist es Textilkunst? Keiner weiß es, und ich möchte mich mit dieser Frage nicht beschäftigen.

Am 8. Februar 2005 hält Eva Schneider in der Hamburger Hochschule für Musik den Vortrag „Fötuswatching. Von der gefensterten Madonna zum fötalen Umfeld“. Beginn: 19 UhrANGELICA ENSEL, 49, ist promovierte Ethnologin, Hebamme und Journalistin. Sie lebt in Hamburg