Google versus Oeckl
: Daten im Ziegelstein

Wie schreibt sich noch mal der Vorsitzende des Verbandes deutscher Drogisten? Welche Bezirksverbände hat die CSU? Wo in San Francisco sitzt der deutsche Generalkonsul? Wer regelmäßig solche Fragen beantworten muss, auf dessen Schreibtisch steht vermutlich ein ziegelsteingroßes Buch: der „Oeckl“, verharmlosend „Taschenbuch des öffentlichen Lebens“ genannt. 1.700 dicht bedruckte Seiten voller Adressen und Ansprechpartner, systematisch geordnet, durch Register vorzüglich erschlossen und jedes Jahr neu. Wer dieses Nachschlagewerk je benutzt hat, mag es nicht mehr missen.

Eigentlich. Aber das gute Stück hat einen stolzen Preis, und sein schärfster Konkurrent kostet überhaupt nichts: Google. Zwei, drei Suchworte eintippen, die richtige Quelle auswählen, und wenn die gesuchte Information schon in der Trefferliste steht, kann man sich sogar das Anklicken sparen. Wer diese Suchmaschine je benutzt hat, mag sie nicht mehr missen.

In puncto Geschwindigkeit ist die Online-Recherche tatsächlich dem Offline-Blättern überlegen – wenn der Arbeitsplatz mit einer Internet-Standleitung versehen ist. Muss der Computer extra hochgefahren werden, hält der Oeckl locker mit.

Hinsichtlich der Zuverlässigkeit ist Google keineswegs der geborene Gewinner. Im Internet stehen so unglaublich viele falsche Angaben, dass eigentlich nur „offizielle“ Websites als vertrauenswürdige Quellen zu betrachten sind. Dies schon anhand der Internet-Adressen zu entscheiden, erfordert einiges an Übung. Und selbst die schicksten Seiten können falsch abgetippte Telefonnummern enthalten, längst ausgeschiedene Funktionäre mit Uralt-Durchwahlen aufführen oder nach dem Umzug lange noch die alte Adresse nennen. Überholte Informationen sind aber auch der Hauptgrund dafür, sich regelmäßig einen neuen Oeckl zuzulegen oder die aktuellen Daten online abzufragen.

Auch die Tiefe der Recherchiermöglichkeiten unterscheidet Google und Oeckl. Die Bücherleser landen telefonisch oft nur beim Pförtner oder im Vorzimmer des Chefs. Die Forscher im Internet hingegen können noch bis zum letzten Sachbearbeiter vorstoßen. Was viele Google-User aber nicht wahrnehmen: Viele Internetpräsenzen werden gegen die „Ausplünderung“ durch die Suchmaschinen geschützt. Vor allem Unternehmen lassen nur noch die Oberfläche und ein paar Leitseiten von den „Spidern“ abtasten. Das zwingt die Interessenten auf bestimmte Einstiegsseiten mit ihren Flash-Animationen und unbrauchbaren Mail-Formularen – bei Oeckl alles kein Problem. Und wer ein paar Stunden im Jahr auf der nutzlosen Suche nach Adressdaten im Internet vergeudet, hat das Geld für seinen Oeckl wieder raus.

Oeckl gegen Google – dieser Vergleich hat auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Durch die ausgefeilte Systematik sehen Oeckl-Benutzer immer, an welcher hierarchischen Stelle sich ihre gesuchte Information befindet. Der Referent, Name vergessen, kam von irgendeiner Ingenieurvereinigung, die mir wieder einfällt, wenn ich den Namen höre? Bei Oeckl kein Problem, den Verband zu finden: dank 20 Obergruppen, 120 Mittelgruppen und an die 1.000 Untergruppen.

Noch viel mehr gilt dies für den „Europa-Oeckl“ in der gleichen Machart, der allein durch seine Gliederung die befremdliche eurokratische Terminologie in einen logischen Zusammenhang bringt. Wer je mit Google auf einem Server der EU gesucht hat, wird die ratlose Ohnmacht kennen, wenn alle Informationen gleich gewichtet sind … oder doch auch im Gegenteil das Glücksgefühl, weil man nicht erst eine institutionelle Landschaft von Grund auf kennen muss, um eine zuständige Stelle zu finden? Google vs. Oeckl – das ist eigentlich Daten-Demokratie gegen Daten-Aristokratie. DIETMAR BARTZ

„Oeckl, Taschenbuch des Öffentlichen Lebens. Deutschland 2005“. Buch 99 Euro, CD 132 Euro„Oeckl, Europa und internationale Zusammenschlüsse 2004/2005“. Buch 88,50 Euro, CD 118,50 Euro; beide Werke im Festland Verlag, Bonn 2004Kombinierte Angebote: www.oeckl.de