„… nicht im Gefängnis?“

Zweimal war Javlinski Präsidentschaftskandidat in Russland. Der Vorsitzende der Demokratischen Partei Jabloko kommt öfter nach Bremen

Bremen taz ■ „Jabloko“ ist die kleine demokratische Partei in Russland, kompromisslos demokratisch und von Putin inzwischen marginalisiert. Ihr Vorsitzender Javlinski war in Bremen.

taz: Was verbindet Sie mit dem fernen Bremen? Grigori Alexander Javlinski: Beim ersten Mal, als ich nach Bremen eingeladen worden bin, ging es um Schiffbau. Die Manager des Vulkan-Konzerns wollten an die Geschäftsbeziehungen aus den DDR-Zeiten anknüpfen. Das war Anfang der 90-er Jahre. In diesen Tagen traf ich erstmals Professor Wolfgang Eichwede. Ich kannte den Namen damals noch nicht. Seitdem bin ich immer wieder in Kontakt mit ihm, auch wenn er nach Moskau kommt. Für mich ist er der Russland-Experte. Ich habe großes Vertrauen zu ihm. Er nimmt nicht nur aktuelle Meinungen auf und macht daraus einen Salat wie die üblichen Sowjetologen es tun.

Was macht Putin in seiner Wirtschaftspolitik falsch? Man kann sich das im Westen kaum vorstellen – er sagt zu einem Unternehmer: „Wie geht es Ihnen? Sie sind noch nicht im Gefängnis? Ich bin so froh, Sie zu sehen!“ Merkwürdigerweise macht das einigen Unternehmern Angst, wenn so mit ihnen gescherzt wird. Sie verstehen?

Bundeskanzler Schröder pflegt demonstrativ freundliche Kontakte zu Putin. Sollte Deutschland eine andere Außenpolitik gegenüber Russland machen? Es ist nicht meine Rolle, Ihrem Kanzler einen Rat zu geben. Das einzige, was ich ihm gern sagen würde: Die Russen unterscheiden sich nicht von den Deutschen. Wir verstehen Demokratie so gut wie die Leute in Bremen. Ich habe das Gefühl, dass westliche Führer glauben, das russische Volk sei nicht bereit für die Demokratie und dass ein starker Mann im Kreml gebraucht würde, um das Land im Griff zu behalten.

Das kann man bei Lenin lesen, dass das russische Volk ein wenig rückständig sei. Der Bolschewismus ist verbreitet in den Köpfen von westlichen Politikern. Es ist eine vollkommen bolschewistische Idee, dass man Demokratie mit Gewalt im Irak verbreiten könnte. Die kommen und sagen: Ihr lebt jetzt Demokratie: Ihr wollt nicht? Ihr werdet das büßen. Wir haben Flugzeuge und Panzer.

In Russland hat ihre demokratische Oppositionspartei Jabloko eine kleine Minderheit, in der Ukraine hat eine demokratische Volksbewegung gerade das Regime in die Knie gezwungen. Die letzten 125 Jahre in der Ukraine sind anders verlaufen. Alle politischen Führer sagen, dass die Ukraine ein demokratisches Land ist. Sie handeln nicht danach, aber sie reden so. Das ukrainische Militär hat keinen Tschetschenien-Krieg geführt und nie auf das Parlament geschossen. Da gibt es kein Öl und Gas, mit dem in Russland alles korrumpiert wird. Das politische Denken und die Psychologie der Ukraine ist anders, auch die geopolitische Orientierung.

Wenn die Demokratie sich in der Ukraine entwickelt – wird es zu einem Bruch kommen? Nein. Warum denn? Die Völker sind so eng verbunden. Jeder hat da Verwandte. Die Kulturen sind eng verbunden. Wir litten gemeinsam im zweiten Weltkrieg und in der Tschernobyl-Katastrophe. Wir brauchen keinen Staatsapparat für gute Beziehungen. Die Demokratie in der Ukraine könnte für Putin ein Problem sein – nicht für Russland.

Haben sie Vertrauen in die ukrainische Entwicklung? Es wird sehr schwierig sein und lange dauern. Es kommt eine schwere Zeit. Aber diese Bewegung der Ukraine ist historisch richtig. Fragen: kawe