„Kaffeedealer sind Terroristen“

Das behauptet Bernhard Stoevesandt, Initiator einer Anti-Kaffee-Kampagne. Und er fügt hinzu: „Fast alle Heroin-Abhängigen haben früher Kaffee getrunken.“ Ein Interview über die legale Verköstigung der Droge Koffein an öffentlichen Orten

Die Forderung ist eindeutig formuliert: „Alle Koffein-Junkies in den Knast!“

Gegen Kaffee-Abhängige und immer mehr Schluckräume in der Innenstadt kämpfen die Gruppe für Aktionskunst und die Knast-Kampagne-Bremen. Sie wollen damit karikieren, wie die Gesellschaft mit illegalen Drogen umgeht. Wir haben den Initiator der Kampagne, Bernhard Stoevesandt, zum Gespräch getroffen – am Tatort, in einem Kaffee in der Innenstadt.

taz: Ganz schön voll hier …

Stoevesandt: Ja, das ist die Uhrzeit. Mittags, nach dem Essen, da erneuern viele ihre Dosis. Erschütternd.

Naja, dann sind sie wach und können wieder weiter arbeiten. Gut für’s Bruttosozialprodukt.

Stoevesandt: Das ist doch eine Illusion! Die werden alle abhängig! Jeder kennt doch solche Kollegen: Morgens zu Hause schon den ersten Kaffee eingeschenkt, im Büro weitere zwei, mittags dann mal eben einen im Café geschluckt, nachmittags wieder zwei Tassen – Koffein-Junkies!

Ja . . .?

Stoevesandt: Die Folgen sind verheerend: Die Menschen werden aggressiv und haben kaum mehr Blutdruck. Deswegen trinken sie immer mehr Kaffee und spülen solchen Schluckräumen hier massenhaft Geld in die Taschen.

. . . und?

Stoevesandt: (brüllt) Kaffeedealer sind Terroristen! Null Toleranz!

Die meisten hier wirken aber doch recht normal.

Stoevesandt: Das täuscht.

Schauen Sie mal, zum Beispiel die zwei da drüben auf dem Sofa: Sie im Strickpulli mit Perlenohrringen, er im Sakko. Sehen doch nett und entspannt aus, sitzen dort, plaudern . . . sind das beides Junkies?

Stoevesandt: Ja, klar. Die sind nur nett und freundlich, so lange sie ihren Pegel haben – die haben doch gerade erst was geschluckt. Später werden sie dann unleidlich, schlapp und nervös.

Ich nehme einen Kaffee, was nehmen Sie denn jetzt?

Stoevesandt: (ungerührt) Pfefferminztee.

Ha, eine Droge! Pfefferminztee beeinflusst nachweislich das körperliche Wohlbefinden! Wie viel trinken Sie denn davon so am Tag?

Stoevesandt: Tja, das weiß ich gar nicht.

Erste Gedächtnislücken?

Stoevesandt: Äh hmm . . .

Herr Stoevesandt, sind Sie etwa abhängig?

Stoevesandt: Selbstverständlich nicht!

Ich merke, hier kommen wir nicht weiter. Gehen Sie denn häufiger in solche Schluckräume?

Stoevesandt: Ja, um die Menschen mit ihrer Abhängigkeit zu konfrontieren und sie auf die Gefahren des Kaffee-Konsums hinzuweisen.

Aha. Wollen wir mal? Vielleicht die beiden jungen Frauen hier am Nebentisch? Entschuldigen Sie, der Herr kämpft gegen den Konsum von Kaffee. Darf ich fragen, wie viel Sie am Tag so trinken?

Zwei junge Frauen: (lachen) Naja, zusammen so drei Liter, bestimmt.

Wann haben Sie denn das erste Mal geschluckt?

Zwei junge Frauen: Hä? Also, meinen ersten Kaffee habe ich so mit 12 getrunken.

Stoevesandt: (aufgebracht) Aber das ist eine Droge, die zerstört Ihren Körper und macht abhängig!

Zwei junge Frauen: Tee auch, und Kakao und Nutella. Und es gibt ja wohl einen deutlichen Unterschied zwischen einer Droge wie Heroin und Kaffee.

Stoevesandt: Das denken Sie! Aber gehen Sie mal los und fragen, wie viele Heroin-Abhängige früher Kaffee getrunken haben! Ich sage nur: Einstiegsdroge!

Und dann noch dieser Mischkonsum bei Ihnen, hier mit Zucker und Nikotin!

Zwei junge Frauen: (leicht genervt) Also echt, so krass sehen wir das nicht . . .

Lassen wir die beiden Damen mal wieder in Ruhe ihren Kaffee trinken.

Zwei junge Frauen: Genau, und wir reden jetzt mal über eine andere Einstiegsdroge: Schuhekaufen.

Sie merken, Sie kommen mit Ihrer Botschaft nicht an.

Stoevesandt: Ich weiß, dass ich das Richtige tue und das setzt sich durch, warten Sie’s ab!

Trinkt denn keiner Ihrer Freunde Kaffee?

Stoevesandt: Selbstverständlich nicht!

Ein ganz müder Haufen?

Stoevesandt: Nein, wir sind sehr aufgeweckt, ich glaube, das haben wir auch bei unserer Anti-Koffein-Demo vergangene Woche sehr wohl bewiesen.

Aber irgendwie müssen Sie an langen Tagen doch auch wach bleiben. Wäre denn Koks eine Alternative?

Stoevesandt: Zumindest ist bei Koks der Mischkonsum mit anderen Drogen wie Zucker nicht so eklatant. Aber wir wollen nicht eine Droge durch die andere ersetzen.

Was können wir denn in unserer Gesellschaft gegen die zunehmende Kaffee-Sucht tun?

Stoevesandt: Das einzige, was sich bei Kaffee-Sucht bewährt hat, ist das ganz harte Durchgreifen des Staates: Alle Koffein-Junkies in den Knast!

Was wäre denn, wenn Sie ihre Tochter in einem Schluckraum erwischen würden?

Stoevesandt: Ich glaube, dann wäre es auch für sie das Beste, einige Zeit weggeschlossen zu werden – zu ihrem eigenen Schutz. Und sehen Sie: Bremen baut neue Gefängnisse und Niedersachsen baut – und irgendwie müssen die Knäste doch auch voll werden!

Zwei junge Frauen: Knästebauen – das ist ja ’ne tolle Lösung!

Noch tut die Polizei nichts.

Stoevesandt: Ja, die Polizei schaut weg, dabei entsteht ein Schluckraum nach dem anderen hier in der Innenstadt. Teilweise hat die Polizei sogar selbst solche Kaffee-Maschinen in ihren Büros stehen. Es ist eine Katastrophe.

Wie wäre es denn mit ein wenig Eigeninitiative?

Stoevesandt: Ja, man könnte die Kaffeemaschinen hier ausstecken, so etwas habe ich auch schon angedacht. (schaut prüfend zum Ausgang) Aber hier kommen wir nicht schnell genug raus. Und wir sind ja nur zu zweit.

Nein, Sie sind ganz alleine.

Das Gespräch führte Dorothea Siegle