ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Der mörderische Adel

Eine Recherche von David R. L. Litchfield sorgte vor eineinhalb Jahren für eine größere Kontroverse. Der Brite hatte die Geschichte der Familien Thyssen und Thyssen-Bornemisza erforscht und war dabei auf ein Verbrechen aus den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gestoßen.

So wurden in der Nacht vom 24. auf den 25. März 1945 auf Schloss Rechnitz im österreichischen Burgenland 180 ungarisch-jüdische Zwangsarbeiter massakriert. Dieses Verbrechen war auch von der vorrückenden Roten Armee dokumentiert worden.

Neu war jedoch Litchfields Behauptung, die jüdischen Zwangsarbeiter seien aus einer Party heraus ermordet worden, veranstaltet von der Gräfin Margit von Batthyány, geborene Thyssen-Bornemisza.

Der Massenmord beschäftigte nach 1945 auch österreichische Gerichte. Zumindest einer der Haupttäter konnte dank der antisemitischen Gräfin flüchtig bleiben. Litchfield stellt dies in seinem Buch „Die Thyssen-Dynastie. Die Wahrheit hinter dem Mythos“ heraus und wirft so aktuell die Frage nach der Gesamtverantwortung der Erben aus dem Hause Thyssen-Bornemisza auf.

„Ich finde, Francesca als Erzherzogin von Österreich sollte zumindest ein Statement abgeben“, sagte er im taz-Interview Ende 2007. Die Erzherzogin, geborene Thyssen-Bornemisza, versprach, sie wolle in der Sache tätig werden.

Nun, 2009, ist immerhin das umstrittene, fast 600 Seiten umfassende Werk Litchfields in deutscher Sprache im assoverlag erschienen. Und auch wenn zwei Belastungszeugen 1947 ermordet wurden und die Gräber der Juden in Rechnitz bis heute nicht aufzufinden sind, ist der Fall noch nicht von der Bühne.

Dafür sorgt auch Elfriede Jelinek, die das Theaterstück „Rechnitz – Der Würgeengel“ schrieb. In der Inszenierung von Jossi Wieler gastiert es kommenden Montag und Dienstag am Hau in Berlin.

■ Andreas Fanizadeh leitet das Kulturressort der taz.Foto: privat