DEN HAAG: KLAGE GEGEN DIE NATO-STAATEN GESCHEITERT
: Serbiens Gegenangriff stecken geblieben

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat die Vorwürfe Serbien-Montenegros gegen acht Nato-Staaten einstimmig wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen, weil die Kläger zum Tatzeitpunkt noch keine UN-Mitglieder waren. Vor allem der Kern der Vorwürfe an die Nato, sie habe während der Bombenangriffe auf Serbien 1999 Völkermord begangen, ist damit noch nicht vom Tisch – jedenfalls nicht in der politischen Sphäre. Doch das Urteil erlaubt, eine Tendenz festzustellen. Indem das Gericht so entschieden hat, sind die Hoffnungen der serbischen Regierung unter Premierminister Vojislav Koštunica gedämpft worden.

Denn mit der Klage gegen die Nato, mit dem Bombenkrieg Völkermord begangen zu haben, wollen die konservative Regierung in Belgrad und die starken rechtsextremen Kräfte in Serbien vor allem innenpolitisch punkten. Es schmerzt sie, dass den serbischen Repräsentanten von damals, Slobodan Milošević und anderen, Völkermord in Kroatien, Bosnien und dem Kosovo vorgeworfen wird. Bei den Regierenden wie der Mehrheit der Nation führt das zu Abwehr und Blockaden – statt die eigene Vergangenheit kritisch zu hinterfragen und damit ein Stück weit zu bewältigen, gehen sie zur Gegenattacke über.

Wie schon zuvor die ehemaligen Kriegsgegner, die Kroaten, die Bosniaken und Albaner, wird nun zusätzlich die Nato angeklagt. Das Argument, dass die Westler doch ebenfalls Dreck am Stecken haben, ist in der Gesellschaft durchaus populär. Seine Steigerung, die Anklage der Nato wegen Völkermords, führt sogar auf gleiche Augenhöhe.

Man kann der Nato sicherlich vorwerfen, ohne Mandat des Weltsicherheitsrates gehandelt, Atommunition verwandt und ohne militärischen Sinn zivile Ziele angegriffen zu haben. Völkermord jedoch ist etwas anderes, und das müsste die serbische Führung eigentlich wissen. Mit diesem Vorwurf kann sie, selbst wenn das internationale Tribunal den Prozess eröffnet hätte, letztlich nur verlieren. Die Schuld nur bei anderen zu suchen und Weltverschwörungen für das eigene Schicksal verantwortlich zu machen führt nicht weiter. Das können die Deutschen inzwischen sehr gut nachvollziehen. ERICH RATHFELDER