Fahrt ins Ungewisse

Der Montag war der große Test für die neue Fahrplanstruktur: Während die BVG jubelt, schimpfen Gäste über verschwundene Haltestellen, zu seltene Straßenbahnen für Behinderte und fehlende Infos

VON ANNA MECHLER

„Was soll denn das jetzt?“, beschwert sich ein Fahrgast, als es am U-Bahnhof Nollendorfplatz plötzlich heißt: „Alles aussteigen bitte, dieser Zug endet hier.“ Seit Sonntag kann man nicht mehr wie bisher von Krummer Lanke bis Warschauer Straße durchfahren, sondern muss am Nollendorfplatz in die neue U3 umsteigen. Die bisherige U1 fährt jetzt von Warschauer Straße bis Uhlandstraße. Das führt bei vielen Fahrgästen zu Verärgerung. Wer kann, lässt seinen Frust über die neue Fahrplanstruktur direkt beim Personal der BVG raus.

Gestern Morgen erlebten viele BVG-Kunden eine Überraschung. Wer mit dem Bus oder der Tram zur Arbeit wollte, hatte an vielen Haltestellen schlichtweg Pech gehabt. 99 Haltestellen in ganz Berlin sind weggefallen, woanders sind 18 neue dazugekommen. Und manche Haltestellen sind zwar noch da, dafür fährt das gewohnte Fortbewegungsmittel aber nicht mehr zum alten Ziel. „Es ist schon ärgerlich genug, wenn die gewohnten Haltestellen nicht mehr bedient werden. Wenn dann aber auch noch die Informationen darüber fehlen, dass sie weg sind, ist das einfach nur frustrierend,“ sagt Claudia Hämmerling, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen.

Informationen über eingesparte Linien seien nur indirekt zu finden, wenn man bereits die neue Ersatzlinie kenne. Zwar hat die BVG laut Homepage rund 2,2 Millionen „Metro-Linien-Flyer“ an die Haushalte verteilt, teilweise sogar in türkischer Sprache – trotzdem blieben viele Berliner ohne Informationen. „Ich habe heute schon mit ungefähr 30 Leuten aus ganz Berlin gesprochen, und keiner hat diesen Flyer im Briefkasten gehabt – ich auch nicht“, sagt Claudia Hämmerling.

„Die neue Metro-Tram 2 fährt nicht mehr bis zum Alex“, beschwert sich die 66-jährige Ilse Mehling. Am Hackeschen Markt ist Endstation, dann heißt es umsteigen. Für viele alte Leute ist dies eine große Hürde. „Das millionenschwere Informationskonzept der BVG ist gescheitert“, urteilt Claudia Hämmerling. Ihrer Meinung nach ist das Metrolinienkonzept allein aus wirtschaftlichen Überlegungen entstanden. Rund 19 Millionen will die BVG einsparen, sagt Jürgen Senst, Verkehrsplaner der BVG: „Wir müssen bis zum Jahr 2008 laut EU-Recht wettbewerbsfähig sein.“

„Bei der M4 sind heute fünf Straßenbahnen hintereinander gekommen, die keinen Zugang für Rollstuhlfahrer hatten“, berichtet Ilse Mehling. „Es ist nicht einfach, als Behinderter durch Berlin zu kommen“, gibt auch Pressesprecherin Petra Reetz zu. Allerdings sei die BVG bereits auf dem besten Weg. Man spreche sich mit dem Behindertenverband ab und dieser nenne seine Prioritäten, was den Bau neuer Aufzüge an den U-Bahnhöfen angeht.

Die Buslinie 348 war eine ausgelastete Linie, nun wurde sie gestrichen. „Das liegt daran, dass diese Strecke durch andere Busse und U-Bahn-Linien gut vernetzt ist. Diesen Bus abzuschaffen tut niemandem weh“, so Jürgen Senst. „Wir können es uns nicht mehr leisten, dass Busse und U-Bahnen parallel zueinander fahren. Da müssen die Fahrgäste eben mal umsteigen, um ihr Ziel zu erreichen.“

Auch wenn viele Fahrgäste dem neuen Fahrplan skeptisch gegenüberstehen: Die BVG spricht von einem Erfolg. „Der gewaltige Fahrplanwechsel ist uns im Großen und Ganzen gut gelungen. Die Fahrgäste waren eigentlich ganz gut informiert, und es gab keine größeren Auseinandersetzungen mit dem Personal“, so Petra Reetz.

An den Verkehrsknotenpunkten wurden die neuen Fahrpläne verteilt. Die BVG bittet die Bürger um Dialog. „Der Plan ist nicht ganz übersichtlich, aber wenn man ungefähr weiß, wohin man möchte, findet man das auch“, räumt ein Mitarbeiter der Firma ein, die die Informationen verteilt. Angeblich beantwortet die BVG jeden Vorschlag. Da darf man ja gespannt sein.