Ohne Bereitschaft durchzugreifen, ist kein Neuanfang drin

Der Kölner CDU gelingt es kaum noch, Inhalte zu vermitteln. Zu sehr ist sie in Personalquerelen verstrickt. Auf dem heutigen Parteitag wird CDU-Chef Reinarz wieder den Krisenmanager geben und auf Druck der NRW-Union Richard Blömers Kandidatur für die Landtagswahl zu verhindern haben

Köln taz ■ „Wir brauchen endlich einen richtigen Neuanfang“, heißt es bei der Kölner CDU. Die Situation ist ein halbes Jahr vor der Landtagswahl trauriger denn je. Auf allen Ebenen wird gestritten, Negativschlagzeilen bestimmen das Bild der Union in der Öffentlichkeit. Vor fünf Jahren – nach dem Aktienskandal um den damaligen Oberstadtdirektor Klaus Heugel (SPD) – wie ein Phönix aus der Asche auferstanden, dümpelt Kölns CDU jetzt wieder wie in alten Zeiten vor sich hin. Die Basis, die heute Abend beim Parteitag über Koalition und Kandidaten befinden soll, wünscht sich nichts sehnlicher als eine einige Partei.

Was die CDU auf Bundesebene vormacht, können die Kölner schon lange. Personalquerelen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Parteiarbeit, die inhaltliche Diskussion bleibt völlig auf der Strecke. Parteichef Walter Reinarz hatte sich seinen Job, den er nach dem Rücktritt von Richard Blömer aus diesem Amt Hals über Kopf angenommen hatte, bestimmt anders vorgestellt. Doch Reinarz hatte keine Chance zur inhaltlichen Gestaltung, musste er doch stets den Krisenmanager geben.

Das wird Reinarz heute wieder müssen. In der Aula des Ehrenfelder Albertus-Magnus-Gymnasiums muss er dafür sorgen, dass Richard Blömer nicht mehr für den Landtag aufgestellt wird. Lange hatte Reinarz gezögert, sich in Interviews äußerst diplomatisch zum „Fall Blömer“ geäußert. Das habe die Kölner Basis souverän zu entscheiden, betonte der Kölner CDU-Vorsitzende stets. Seine Meinung hat er inzwischen geändert, weil die Landespartei Druck ausgeübt hat. Jürgen Rüttgers will sich von den Kölner Affären seine Kandidatur für den Posten des NRW-Ministerpräsidenten nicht kaputt machen lassen.

Denn wenn in der Klüngelhauptstadt Köln etwas passiert, interessiert das immer gleich die ganze Republik. Das war auch der Grund, warum die Vorgänge um den Sozialpolitiker Hermann-Josef Arentz so hohe Wellen geschlagen haben. Der Auftakt zum Landtagswahlkampf geriet den Verantwortlichen der NRW-CDU beim Bundesparteitag in Düsseldorf zum Rohrkrepierer. Da musste schnell gehandelt werden.

Dadurch wurde auch kaschiert, dass diese Bereitschaft zum Durchgreifen bisher vergleichsweise wenig ausgeprägt war. Der Generalsekretär der NRW-CDU, Hans-Joachim Reck, hat zwar immer wieder wüste Drohungen gegen Blömer ausgestoßen. Letztlich hat er aber nichts Konkretes zur Verhinderung seiner ersten Aufstellung getan, und die öffentlichen Äußerungen bewegten die Basis eher, ganz besonders eng zusammen zu rücken gegen „die da oben in Düsseldorf“.

Nun also soll Rüttgers selbst nach Köln kommen und die Basis umstimmen. Ein Neuanfang soll gemacht werden, damit die größte Stadt des Landes nicht weiterhin seine Sympathiewerte als potenzieller Landesvater in den Keller reißt. Doch ist die Kölner Union für einen solchen Neubeginn überhaupt aufgestellt?

Immerhin haben auch die Kölner lange gezögert, bis sie das „Problem Blömer“ ernst nahmen. Der einflussreiche Strippenzieher ist schließlich nur ein Teil in einem umfangreichen Puzzlespiel. Gegen mehrere Mitglieder des Kölner Kreisverbands wird zurzeit noch ermittelt, sei es wegen umstrittener Beraterverträge oder wegen Spendendelikten. „Ich möchte nicht wissen, wer da noch Leichen im Keller hat“, meint ein Mitglied. Mit überraschenden Enthüllungen hat man offenbar immer wieder zu rechnen. Und in einer Partei, in der Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl beharrlich Spendenvergehen rechtfertigt, scheinen die Koordinaten des Anstands ohnehin bedrohlich verschoben zu sein.

Inhalte zu vermitteln, gelingt Kölns CDU-Granden sowieso kaum noch. „Im Ortsverband reden wir nur noch darüber, wie man den Leuten an den Infoständen die Affären erklären soll“, sagt ein Funktionär. „Das kann man doch gar nicht mehr alles auf die Justiz und die Medien schieben.“ Bei den jetzt abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen gaben die CDU-Verhandler ein derart zerstrittenes und politisch diffuses Bild ab, dass die junge SPD-Crew nur mit dem Kopf schütteln konnte. Besorgt fragten sich die Genossen, ob diese Union überhaupt ein zuverlässiger Partner sein könnte. Sie haben sich auf das Abenteuer eingelassen, wenngleich der Koalitionsvertrag windelweich gespülte Kompromisse enthält.

Wenn es mehr um Personen als um Inhalte geht, wird in Kölns CDU gerne mit harten Bandagen gekämpft. Da werden Verdächtigungen lanciert, Anschuldigungen gemacht und Gerüchte gestreut. Zum Beispiel der Hinweis, dass eine städtische Kehrmaschine von einem CDU-Mitglied gestohlen wurde und jetzt kommerziell genutzt werde. Die Staatsanwaltschaft beschäftigte sich mit dem Thema und legte es schnell wegen offenbaren Unsinns zu den Akten. Der gezielte Angriff auf ungeliebte Aufsteiger stürzt die Basis aber immer wieder in Verzweiflung. Denn allzu gerne würden die Mitglieder mal wieder in politischen Fragen mitmischen. Frank Überall