baumsterben
: Nie wieder Christbaumschändung!

Stopp! Hier spricht die Kommission. Die Kommission zur Verhütung, Verhinderung und Verfolgung der Schändung weihnachtlichen Brauchtums. Lassen Sie sofort Ihre Glossen fallen: Es reicht. Dieses Jahr wird nicht über Weihnachtsbäume gelacht. Es ist nicht komisch, über Weihnachtsbäume zu lachen. Das Thema ist abgenadelt, pardon, gegrast, und außerdem pietätlos, zumal in Zeiten akuten Waldsterbens.

Der aktuelle Waldzustandsbericht und der Tannenbaum, das sind Themen, über die es sich lohnt, ernsthaft nachzudenken und sie mit Würde abzuhandeln, nicht in Glossen. Also nichts über den alljährlichen Vorjahres-Slapstick mit Draht, Bierflasche und umfangreicher Konifere durchs Wohnzimmer walzernder Familienväter, nichts darüber, dass das Christbaumschlagen als Ort der holzfällernden Resttriebbefriedigung die letzte wahre Männerdomäne ist, nichts über explodierende Tannen, brennende Gardinen, nichts über vergebliche Versuche, den Baum dem Ständer und der Raumhöhe mit Säge und Axt anzupassen, nichts über Strategien der Entsorgung. Alles schon mal da gewesen. Kann ja der Herr Hacke schreiben.

Vor 20, 30 Jahren, okay, da war das Thema Waldsterben noch neu, und da hatte man noch nicht den schillernden Glanz der Postmoderne verinnerlicht. Also konnte man sich guten Gewissens einen vom sauren Regen verkrüppelten Fichtenschössling ins Wohnzimmer stellen, samt Wurzelballen natürlich, um ihn danach wieder im eigenen Garten einzugraben und sich zu wundern, dass er gar nicht anging. Das war auch die Geburtsstunde der Christbaumglosse, weil, so viel guten Willen und gutes Gewissen, das hält der dickste Baum nicht aus, da muss man zu verschämter Komik greifen. Weshalb es nur folgerichtig war, dass Heinrich Böll, der unumstrittene Vater der Weihnachtsbaumbelachung und des guten Gewissens, dafür 1972 den Literatur-Nobel-Preis erhielt.

Heute jedoch wissen wir, dass Weihnachtsbäume nicht aus dem Wald sondern aus den quasi-industriellen Schonungen Niedersachsens in die Städte gelangen. Und wer sich etwas anderes als Nordmann Güteklasse 1 in die Stube schleppt, hat einen Ruf als ALG II-Empfänger weg und muss mit fristloser Kündigung des Mietvertrags rechnen. Das ist nicht zum Lachen.

Deshalb strebt die Kommission zur Verhütung, Verhinderung und Verfolgung der Schändung weihnachtlichen Brauchtums eine Strafrechtsnovelle an. Künftig soll, wer Christbäume bewitzelt, vor dem Kadi landen, der ihn dann verurteilt. Das vorgesehene Strafmaß: Der Delinquent wird geteert. Und genadelt.

Benno Schirrmeister