fred und fred von FANNY MÜLLER
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Nachdem ich am vergangenen Dienstag einen Spaziergang durch den Park gemacht hatte und am Ausgang von einer jungen Frau angehauen wurde, die mir ohne irgendwelche Einleitungen mitteilte, dass sie wegen Fred nun nicht mehr in die Psychiatrie gehen würde, und ich ihr beigepflichtet hatte, dass das ja nun wirklich nicht die Lösung sei, ging ich anschließend um kurz vor halb sechs zu Frau M., die ganz bei mir in der Nähe ein Lokal hat. Sie ist 83 und Besitzerin der Kneipe, die sie von 14 bis 19 Uhr jeden Dienstag und Donnerstag geöffnet hat; sie verliert sonst die Konzession. Außerdem macht es ihr Spaß.

Ich schreibe jetzt extra nicht, wie die Kneipe heißt und wo sie ist, weil sonst alle Webmeister oder wie die heißen, sie zur neuen Kultkneipe machen wollen, weil da alles „authentisch“ ist und 100 Prozent wie in den Fünfzigerjahren eingerichtet. Das würde uns gerade noch fehlen!

Ich frage sie, wie ihr „Frau K.“ gefallen hat; ich hatte ihr das Buch geschenkt, weil ihre Kneipe auch drin vorkommt. Sie lässt sich etwas Zeit mit ihrem Kommentar und sagt dann gedehnt: „Daaa ham Sie sich aber viel Mühe gegeben …“ Auha. Da habe ich aber schon andere Rezensionen gekriegt. Sie langt ins oberste Fach und holt eine sehr verstaubte Flasche hervor, um mir einen auszugeben. Eigentlich gibt es nur Bier in Flaschen, Korn und „Brause“, die immer noch 90 Pfennige kostet. Sie wischt die Flasche mit einem Küchentuch sauber. „Passen Sie ma auf, das mögen Sie!“ Ich werfe einen Blick auf die Marke und zucke zusammen. Es ist Schlehenfeuer, und ich trinke es mit Todesverachtung aus. Eigenartig, ich dachte, so was gibt es nur noch auf Rezept.

Wir kommen auf die Gäste vom vorigen Mal zu sprechen. Fred zum Beispiel, ein Glatzkopf mit einer langen Unterlippe, der ziemlich besoffen war, den Kopf auf die Theke gebettet hatte und nur noch lallen oder die letzten Worte der anderen Gäste wiederholen konnte. Nur ab und zu hob er den Kopf vom Tresen und sabbelte irgend was über „… da geh ich nich mehr hin, nä, zu den Fischladen da, ich geh ja nur noch zu hmhmhm Dings in Ebbndorf, der hat volle … äh voll guude Maddjes, ähm, nä, oh Mann dorr, was binnich hacke …“ – „… und siem Bier sinn auchn Schniddsel“, hatte er einigermaßen dunkel hinzugesetzt, bevor er seinen Schädel wieder auf den Tresen fallen ließ.

„Der hat ja viel Geld, fährt auch n Sportwagen“, sagt Frau M., er habe bei der Post gearbeitet und seine Mutter auch. „Ich hab ja früher auch aufm Postscheckamt …“ So schließen sich die Kreise. „Fred sein Freund ist ja vor kurzen gestorben“, setzt Frau M. ihre Erzählung fort, „jetzt sucht er wieder. Der war ja auch n büschen annersrum.“ Wer? Frau M.: „Sein Freund.“ Ein bisschen? Ist das nicht so wie ein kleines bisschen schwanger? Und Fred ist dann ja wohl auch vom anderen Ufer, nehme ich an. Frau M. erzählt weiter: „Is ja auch zu und zu schade, wenn er mitten Sportwagen immer alleine rum fährt. Ich hab zu ihn gesagt: Vorsicht! Die meinen das nich alle ehrlich! Und er hat gesagt, neulich hat ihn schon einer inn Schritt gefasst.“

Ist das nicht eigentlich die Art und Weise, wie in diesen Kreisen Bekanntschaft geschlossen wird? Oder wie oder was?