der kommentar
: Rot-grüne Geselligkeit

Die Institution Weihnachtsfeier ist nicht totzusparen. Schuld ist die Sehnsucht nach einem Arbeitsidyll, das es gar nicht gibt

Mehr als die Hälfte der Berufstätigen in Deutschland sind laut einer Umfrage begeistert von betrieblichen Weihnachtsfeiern – die schon losgehen, bevor man an Weihnachten denken mag. Christkindpartys. „Ein schöner Brauch“ sei es, „der das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen stärkt“, sagen die Befragten.

Klar, da wird sich mit den Kollegen, die man das restliche Jahr ignoriert oder mobbt, ordentlich einer hinter die Binde gekippt. Dazu säuselt’s zuerst „Stille Nacht“, dann kommen die Hits der 80er. Das macht Spaß. Doch hinter der rot-grünen Fassade steckt die Sehnsucht nach einem Arbeitsidyll, das es gar nicht gibt. In dem glühweingeschwängerten Betriebsklima wollen die Angestellten wenigstens ein Mal im Jahr ihre Sorgen vergessen: Arbeitslosigkeit und Hartz IV. Es ist ein kurzer Ausbruch aus der rauen Arbeitswelt, eine Flucht in den Mythos soziale Marktwirtschaft.

Nur bei der Weihnachtsfeier ist die Konkurrenz aufgehoben – scheinbar. Denn zwar tanzt und parliert jeder mit jedem, doch: Vorsicht, Falle! Auch im Geschunkel muss der aufstrebende Arbeitswütige seine sozialen Kompetenzen beweisen. Guten Eindruck machen. Nur die älteren Mitarbeiter haben das trügerisch Gesellige längst durchschaut. Einem Drittel der über 50-Jährigen sind die betrieblichen Weihnachtsfeiern lästig. SAT