Angriffe bleiben im Dunkeln

Ob rechte Gewalt in den Statistiken auftaucht, liegt auch an der Wahrnehmung der Polizeibeamten. Denn einheitliche Kriterien zur Erfassung gibt es nicht. Das muss sich ändern, so der Grüne Ratzmann

VON HEIKE KLEFFNER

Schon die offizielle Statistik verheißt nichts Gutes. 41 Angriffe von Rechten wurden allein bis Ende Juni in Berlin von den Behörden registriert – im gesamten Jahr 2002 waren es dagegen nur 52 Gewalttaten. Gleichzeitig weisen Experten wie die von Beratungsstelle „Reach Out“ schon seit langem darauf hin, dass die Dunkelziffer von Gewalttaten mit rechtem Hintergrund wesentlich höher liegen könnte. Denn oft ist es auch eine Frage der Wahrnehmung durch einzelne Beamte von Polizei und Bundesgrenzschutz, ob der mögliche rechte Hintergrund einer Gewalttat weitergegeben wird und damit Eingang in die Statistik findet. Das zeigt das Beispiel eines Angriffs in der S-Bahn, der erst jetzt bekannt geworden ist.

Sabine K.* erlitt in den frühen Morgenstunden des 8. Juni in der S-Bahn zwischen den Bahnhöfen Warschauer Straße und Treptower Park eine blutende Kopfverletzung, als ihr ein rechter Angreifer mit einer Bierflasche auf den Kopf schlug. Zunächst seien sie und ihr Begleiter von den beiden Rechten verbal als „Scheißzecken“ angepöbelt worden, sagt Sabine K.. Der Anlass: Ihre „Nazis Raus-“ und „Destroy Fascism“-Aufnäher auf Jacke und Rucksack. Die Situation eskalierte, als einer der beiden Rechten ein Messer zog und der jüngere mit der Bierflasche auf Sabine K. einschlug. Ihrem Freund gelang es, andere Fahrgäste zur Hilfe zu bewegen.

Während die Angreifer am S-Bahnhof Treptower Park flüchteten, alarmierte ein Zeuge die Sicherheitsbehörden. Beamte des Bundesgrenzschutzes nahmen die Anzeige von Sabine K. auf. Fortan ermittelten BGS und Amtsanwaltschaft wegen Körperverletzung gegen unbekannt. Doch für einen möglichen politischen Hintergrund findet sich in der Dokumentation des BGS kein einziger Hinweis.

Für Sabine K. ist das völlig unverständlich. Sie habe deutlich gemacht, dass die Täter zur rechten Szene gehörten und „mich angegriffen haben, weil ich äußerlich als Linke identifizierbar bin“. In der Justizpressestelle heißt es auf Nachfrage, die Amtsanwaltschaft Berlin habe das Ermittlungsverfahren im September eingestellt. Pressesprecher Björn Retzlaff hält es für „durchaus wahrscheinlich, aber nicht für zwingend“, dass es sich bei dem Angriff auf Sabine K. um eine politisch motivierte Gewalttat handelte. Ein neutraler Zeuge habe den Angriff beobachtet, dessen Entstehungsgeschichte jedoch als „gegenseitiges Hochschaukeln“ beschrieben.

Damit auch solche Fälle künftig in den Statistiken auftauchen, fordert der grüne Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann eindeutige Prüfsteine: „Die Kriterien der Erfassung rechter Gewalt müssen vereinheitlicht werden.“

* Name geändert