Richter erkennen keine „RAF an der Elbe“

Haftstrafen und ein Freispruch im Prozess gegen Magdeburger Autonome. Gericht: keine terroristische Vereinigung

HALLE taz ■ Mit einem Freispruch und zwei Verurteilungen zu zweieinhalb Jahren Haft und zwei Jahren Jugendstrafe endete gestern der Prozess gegen drei junge Linke aus Magdeburg. Die Bundesanwaltschaft hatte ihnen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ nach Paragraf 129a des Strafgesetzbuches vorgeworfen.

Das Oberlandesgericht Naumburg sah es als erwiesen an, dass Marco H. (24) und Daniel W. (22) unter wechselnden Gruppenbezeichnungen wie „Kommando globaler Widerstand“ oder „Kommando Carlo Guiliani“ an zwei vollendeten und zwei versuchten Brandanschlägen in Magdeburg beteiligt gewesen seien. Dabei war bei einer DaimlerChrysler-Niederlassung und Fahrzeugen der Telekom Sachschaden entstanden. Der dritte Angeklagte, Carsten Sch. (23), wurde freigesprochen.

Von einer Verurteilung nach Paragraf 129a sah das Gericht mit der Begründung ab, die „militante Gruppe“ habe sich schon vor der Festnahme der Angeklagten aufgelöst. Damit setzten sich die Richter über die Bundesanwaltschaft hinweg, die Haftstrafen zwischen drei und dreieinhalb Jahren gefordert hatte.

Der Vorsitzende Richter Albrecht Hennig sagte, das Urteil stütze sich im Wesentlichen auf Indizien. Die Angeklagten hatten zu den Vorwürfen geschwiegen. Für nicht verwertbar erklärte das Gericht die Aussagen eines Zeugen, die unter Zwang entstanden waren. Ein Beamter des Bundeskriminalamtes hatte eingeräumt, einen 22-Jährigen mit der Drohung, dessen Homosexualität gegenüber den Großeltern zu outen, zu Aussagen „überredet“ zu haben.

Die Beschuldigten seien „keine Top-Terroristen“, so Richter Hennig in Anspielung auf die Lokalpresse. Die hatte von der „RAF an der Elbe“ geschrieben. Es dürfe aber auch keine Bagatellisierung geben. Unmut bei den Zuhörern erregte Hennig, als er in der mündlichen Urteilsbegründung die Magdeburger Anschläge mit den nationalsozialistischen Synagogenbränden gleichsetzte.

Die Verteidiger von Marco H. und Daniel W. kündigten Revision an. Auch die Bundesanwaltschaft prüft eine Revision. Sie ermittelt noch gegen weitere ehemalige Mitglieder einer öffentlich agierenden linken Gruppe namens „Autonomer Zusammenschluss“ in Magdeburg, in der auch die drei Angeklagten aktiv waren. HEIKE KLEFFNER