Kongo hofft auf das große Geld

Auf einer Geberkonferenz in Paris präsentiert sich ab heute die Demokratische Republik Kongo Geldgebern und Investoren.Im Angebot: fantastische Bergwerke, hochwertige Regenwälder, ausgelaugte Menschen. Nun sollen die Milliarden fließen

AUS KINSHASA FRANÇOIS MISSER

Bei Luc Peeters sind die Auftragsbücher voll. Zum ersten Mal in zehn Jahren erlebt der Belgier auf seiner Werft „Chanimétal“ in Kingabwa, einem Außenviertel der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa, einen Umsatzzuwachs: 25 Prozent plus, auf fünf Millionen Dollar. Kongos Händler brauchen Frachtschiffe und Öltanker. Nach Jahren des Krieges und der Teilung des Landes ist der riesige Kongo-Fluss jetzt auf seinem schiffbaren Bereich von Kinshasa bis ins 1.700 Kilometer flussaufwärts liegende Kisangani endlich wieder frei zugänglich. Darauf Treibstoff und Konsumgüter aus der Hauptstadt nach Osten zu bringen und im Gegenzug Kinshasa mit Lebensmitteln zu versorgen, ist eines der lukrativsten Geschäfte im „neuen Kongo“, der seit der Bildung einer Allparteienregierung der bisherigen Kriegsparteien im Juli Form annimmt.

Die Wiedervereinigung des Kongo ist eine teure Sache. Ab heute treffen sich Experten der Weltbank, der kongolesischen Regierung und Investoren in Paris zu einer Geberkonferenz, um dafür Zusagen einzuholen. Das bisherige Weltbankprogramm PMURR (Multisektorielles Notprogramm für Rehabilitation und Wiederaufbau) aus dem Jahr 2002 sah 1,7 Milliarden Dollar über drei Jahre vor, bezog sich aber nur auf den zu Kriegszeiten von der Kabila-Regierung kontrollierten Westteil des Landes.

„Mini-Marshallplan“

Jetzt hat die Weltbank zwar bereits 214 Millionen Dollar mehr zugesagt, darunter 50 Millionen Budgethilfe. Aber Planminister Alexis Thambwe fordert nicht weniger als einen „Mini-Marshallplan für den Kongo“ nach Jahrzehnten Ausplünderung und Krieg.

Als Erstes, so der steinreiche Minister, der während des Krieges unterschiedlichen Rebellenbewegungen angehörte, solle das Weltbankprogramm PMURR auf 2,3 Milliarden erhöht werden; weitere Milliardensummen werden für Armutsbekämpfungsprogramme gesucht. Thambwe wird in Paris rosige Zahlen vorlegen. 2002 erlebte der Kongo zum ersten Mal seit langem ein Wirtschaftswachstum: 3 Prozent. 2003 sollen 5 Prozent erreicht werden. Die Landeswährung hat sich stabilisiert. Sogar eine neue Bank ist entstanden in einem Land, dessen Geschäftsleute formellen Strukturen misstrauen: die „Raw Bank“, gegründet von Angehörigen der indischstämmigen Minderheit. „Sie gibt Kredite und macht sogar Devisenüberweisungen“, staunt Mathias Buabua, Direktor der Nationalen Investitionsbehörde.

Es kommt auch Geld herein. Die Diamantenexporte, wichtigster Devisenbringer des Kongo, sollen dieses Jahr um 40 Prozent auf über 600 Millionen Dollar steigen. Das liegt nicht an gestiegener Förderung, sondern einfach an besserer Kontrolle. Victor Kasongo, Generaldirektor der Diamantenkontrollbehörde CEEC, hofft auf Einnahmen von einer Milliarde Dollar im Jahr, wenn die gute Zusammenarbeit mit Kongo-Brazzaville gegen den informellen Diamantenexport andauert und neue Investoren wie De Beers aus Südafrika sich engagieren.

Auch in anderen Bergbausektoren sind Gründerzeiten angebrochen. Die kanadische Goldfirma Banro hat im November ihre Konzessionen im Osten des Landes zurückbekommen, die sie nach dem Sturz Mobutus 1997 zunächst verloren hatte. Die Kupfer- und Kobaltminen um Kolwezi in Katanga sollen zusammen mit „American Mineral Fields“ instand gesetzt werden – das US-Unternehmen investiert 350 Millionen Dollar.

Industrieminister Jean Mbuyu glaubt, dass Kongos Zukunft im Tropenholzexport liegt. Sicher, die wertvollsten Regenwälder des Landes sind schwer erreichbar und die Transportkosten sind höher als in Kamerun, Gabun und Kongo-Brazzaville – aber in der Demokratischen Republik Kongo gebe es Edelhölzer, die sonst nirgends zu finden seien. Mbuyu hat eine schillernde Karriere hinter sich: vom Menschenrechtsaktivisten brachte er es zu Joseph Kabilas Sicherheitsberater, bevor er im Oktober das Industrieministerium übernahm.

Nimmt man den Boom internationaler Mobilfunkanbieter und privater Sicherheitsdienste dazu, scheint der Kongo tatsächlich vor einem Aufschwung zu stehen. Wie schon beim Sturz Mobutus 1997 reden die Regierenden von Liberalisierung. Damals entstand stattdessen eine neue Willkürherrschaft. Wenn auch diesmal die Bevölkerung nicht am Boom teilhat, bleibt er wieder eine Sache der Eliten. Hier sind die Aussichten schlecht. Die meisten Staatsangestellten werden noch immer nicht bezahlt, wie eh und je privatisieren sie ihre Dienste, um überleben zu können. Beamte stecken Steuer- und Zollerlöse in die eigene Tasche. Ein Universitätsprofessor verkauft im Nebenberuf Eiskrem, eine Ministerialsekretärin die Waffeln dazu. Mal streiken die Richter, mal die Bus- und Schiffsfahrer.

Eine Verbesserung der Lage ist nicht abzusehen: Der im November vorgelegte Staatshaushalt sieht massive Ausgabenkürzungen vor, ganz entgegen dem offiziellen Wirtschaftstrend. Der Grund: 42 Prozent der Einnahmen sollen von den Gebern kommen – und sind noch nicht da. Und nach wie vor behalten die früheren Rebellengebiete des Ostkongo die meisten ihrer vor Ort erwirtschafteten Einnahmen selbst, statt sie an den Zentralstaat zu überweisen.

Unter solchen Umständen hat es die formelle Wirtschaft schwer, die nach Angaben des Unternehmerverbandes FEC zu drei Vierteln brachliegt. Der Verband klagt über Willkür seitens der Finanzbehörden, die zum Teil Nachzahlungen für die kompletten fünf Jahre Krieg fordern. Ein Fluglinienbetreiber gab eine 30-prozentige Auslastung seiner Flugzeuge an – und wurde prompt beschuldigt, 70 Prozent seines Umsatzes unterschlagen zu haben.

Konkurrenz aus China

Und wie schon früher werfen die Unternehmer der Regierung vor, planmäßig die einheimische Wirtschaft zugunsten der ausländischen Konkurrenz zu ruinieren: Rohstoffimporte kongolesischer Textil-, Metall- oder Baufirmen werden mit höheren Zöllen belegt als Einfuhren fertiger Produkte. So sind Kleider aus China in Kinshasa billiger als solche aus dem eigenen Land. „Für eine so brutale Öffnung ist unsere Wirtschaft zu fragil“, sagt Athanase Matenda vom FEC. Industrieminister Mbuyu kritisiert seinen Plankollegen Thambwe: Dessen „Mini-Marshallplan“ setze allein auf Infrastruktur und vernachlässige die einheimische Wirtschaftsförderung.

Es wird nicht leicht sein, Investoren zu gewinnen. Ende November wurde in Katangas Hauptstadt Lubumbashi ein südafrikanischer Bergbauunternehmer ermordet – offenbar im Auftrag von Gegnern einer geplanten Investition seiner Firma „Time Mining“ zusammen mit der kanadische „Costamin“. Das hat ausländische Geschäftsleute verunsichert. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist, dass Kongos Parlament bis Mitte 2004 die bestehenden Verträge zwischen Staat und ausländischen Geschäftspartnern aus der Kriegszeit einzeln überprüfen will.

Ein Bankier in Kinshasa warnt: Erst wenn im Kongo eine gewählte Regierung amtiert, kann der Wiederaufbau wirklich beginnen – also in ferner Zukunft. Denn die Wahlen sind für 2005 geplant. Und schon jetzt ist man sich sicher, dass dieser Termin nicht zu halten ist.