ThyssenKrupp do Copacabana

Der ThyssenKrupp-Konzern verzeichnet das beste Unternehmensergebnis seit der Fusion. Wachsen will der Stahlgigant vor allem in Brasilien und Asien. Die Arbeiter im Ruhrgebiet müssen sparen

AUS ESSEN KLAUS JANSEN

Die ThyssenKrupp AG hat aus der Präsentation ihres Jahresabschlusses eine Feierstunde gemacht. „Die Phase der Konsolidierung des Unternehmens ist vorbei, jetzt entwickeln wir eine Vorwärtsstrategie“, verkündete Ekkehard Schulz gestern im alten Anwesen der Krupp-Familie, der Villa Hügel in Essen. Mit einem Jahresgewinn vor Steuern in Höhe von 1,58 Milliarden Euro hat das Unternehmen im vergangenen Geschäftsjahr das beste Ergebnis seit der Fusion der beiden Stahlgiganten Thyssen und Krupp im Jahr 1999 eingefahren. Der Umsatz stieg um 17 Prozent auf 41 Milliarden Euro, zudem konnte der Konzern seine Verbindlichkeiten von 4,2 auf 2,8 Milliarden Euro reduzieren.

Profitiert hat ThyssenKrupp vor allem von der Stahlnachfrage aus China, die den Preis für den Rohstoff in diesem Jahr auf ein Rekordhoch katapultiert hat. Die eigene Leistung wollte sich Schulz durch externe Faktoren jedoch nicht schmälern lassen: „Nicht nur konjunktureller Rückenwind, sondern auch Anstrengungen des Unternehmens haben zu diesem Ergebnis geführt“, sagte er. Die Konzentration auf die Kerngeschäfte Stahl, Automobilzubehör und Technologie sowie das Abstoßen unrentabler Geschäftsfelder habe sich ebenso ausgezahlt wie die Produktivitätssteigerung an den Stahlstandorten im Ruhrgebiet.

Die von Ekkehard Schulz angekündigte Vorwärtsstrategie zielt vor allem nach Asien und Südamerika. In China will der Konzern seine Präsenz ausbauen, um „näher am Kunden“ zu sein. Über die größte Investition darf sich jedoch Brasilien freuen: 1,5 Milliarden Dollar sollen am laut Schulz „kostengünstigsten Standort der Welt“ in ein neues Stahlwerk fließen – schon jetzt erwirtschaftet das Unternehmen 65 Prozent seines Umsatzes im Ausland, wo auch knapp über die Hälfte der rund 184.000 Mitarbeiter beschäftigt sind. Profitieren soll von dem Brasilien-Deal auch das Ruhrgebiet: ThyssenKrupp will einen Teil des dort produzierten Rohstahls per Schiff zur Weiterverarbeitung nach Duisburg transportieren. „Die Auslastung der Werke und viele Arbeitsplätze werden dadurch gesichert“, sagte Schulz.

Kurzfristig profitieren die Stahlarbeiter an Rhein und Ruhr auch finanziell vom guten Konzernabschluss, zum Jahresende bekommen die Mitarbeiter eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 500 Euro. Fraglich ist jedoch, ob sie die Prämie „nicht gleich wieder aus der Tasche gezogen bekommen“, wie es der Duisburger IG-Metall-Chef Jürgen Dzudzek formuliert. Denn während sich die Aktionäre über eine Erhöhung der Dividende von 50 auf 60 Cent pro Aktie freuen dürfen, sollen im Zuge eines euphemistisch „Projekt 2006“ getauften Sparpakets jährlich 315 Millionen Euro an den deutschen Stahlstandorten eingespart werden, davon allein ein Drittel beim Personal. 1.350 Stellen will ThyssenKrupp einsparen, zudem sollen Unternehmensteile ausgegliedert werden.

Eine Einigung mit der Gewerkschaft ist jedoch in Sicht: „Wir werden in zwei bis drei Tagen ein Verhandlungsergebnis erzielen“, kündigte ThyssenKrupp-Arbeitsdirektor Ralph Labonte an. Er sei optimistisch, dass man betriebsbedingte Kündigungen vermeiden könne. Auch Metaller Dzudzek stellt eine sozialverträgliche Lösung in Aussicht. Strittig ist bleibt vor allem die von den Gewerkschaften geforderte Standortgarantie bis zum Jahr 2015. Ein Streik scheint dennoch unwahrscheinlich, zu einem zweiten Opel droht ThyssenKrupp wohl nicht zu werden. „Es ist ja durchaus legitim, wenn ein Unternehmen in guten Zeiten Vorsorge treffen will“, sagt Gewerkschafter Dzudzek – die Feierlaune verdirbt er so nicht.