Rumsfeld in Deutschland angezeigt

Der deutsche Generalbundesanwalt Kay Nehm soll wegen der Foltervorfälle in Abu Ghraib gegen hochrangige US-Militärs ermitteln, fordern vier Iraker sowie deutsche und amerikanische Anwälte. Mit ernsthaften Ermittlungen rechnet aber niemand

VON CHRISTIAN RATH

Deutschlands Generalbundesanwalt soll gegen den US-Verteidigungsminister Anklage erheben. Deutsche und amerikanische Bürgerrechtsanwälte haben gestern bei Generalbundesanwalt Kay Nehm eine Strafanzeige gegen Donald Rumsfeld und zehn weitere Militärs, darunter Ex-Geheimdienstchef George Tenet, eingereicht. Die Anwälte wollen, dass Nehm ein Strafverfahren wegen Folter und Kriegsverbrechen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib einleitet.

Gestützt wird die Strafanzeige auf das deutsche Völkerstrafgesetzbuch, das im Juli 2002 in Kraft trat. Es sieht vor, dass vor deutschen Strafgerichten alle Taten angeklagt werden können, für die im Prinzip auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag zuständig ist. Im Fall Abu Ghraib kann das Den Haager Gericht allerdings nicht aktiv werden, weil weder die USA noch der Irak den zugrunde liegenden völkerrechtlichen Vertrag ratifiziert haben. Das deutsche Völkerstrafgesetzbuch gilt „auch dann, wenn die Tat im Ausland begangen wurde und keinen Bezug zum Inland aufweist“.

Die Strafprozessordnung erlaubt zwar den Verzicht auf ein Ermittlungsverfahren, „wenn sich kein Tatverdächtiger im Inland aufhält und ein solcher Aufenthalt auch nicht zu erwarten ist“. Verteidigungsminister Rumsfeld wird jedoch sicher wieder Deutschland besuchen wollen, und die Einheit des ehemaligen Irak-Befehlshabers General Ricardo S. Sanchez ist sogar in Heidelberg stationiert. Auch Generalmajor Walter Wodjakowski und Colonel Thomas Pappas haben ihren Dienstsitz in Deutschland. Erstellt hat die Strafanzeige der Berliner Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der zugleich auch Vorsitzender des linken Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV) ist. Er handelte dabei im Auftrag von vier Irakern, die in Abu Ghraib inhaftiert waren, sowie der renommierten US-Bürgerrechtsorganisation Center for Constitutional Rights (CCR).

In der 170-seitigen Strafanzeige wird ausgeführt, dass wegen der Vorfälle in Abu Ghraib bisher nur acht niedrigrangige Soldaten angeklagt und teilweise verurteilt wurden. Das CCR will nun erreichen, dass auch gegen die militärischen Vorgesetzten ermittelt wird. „In den USA ist die Aufnahme strafrechtlicher Ermittlungen derzeit nicht zu erwarten, deshalb kommen wir nach Deutschland“, sagte CCR-Präsident Michael Ratner gestern in Berlin. Konkret stützt sich die Strafanzeige auf eine Vielzahl von US-Dokumenten, die eine direkte Verantwortlichkeit der militärischen Führung für die Folterpraxis in Abu Ghraib beweisen sollen. „Teilweise haben wir direkte Anweisungen, in Abu Ghraib Methoden einzusetzen, die nach der Genfer Konvention verboten sind“, sagt Kaleck, „etwa der Einsatz von Hunden, um bei Gefangenen Angst zu erzeugen.“ Der Einsatz von sexuellen Demütigungen sei zwar nur auf der Gefangeneninsel Guantánamo ausdrücklich freigegeben worden, habe aber auch die Praxis in Abu Ghraib bestimmt. Kaleck gibt zu, dass „ein deutsches Gericht Rumsfeld kaum nach Deutschland holen“ kann. Mit Ermittlungen würde den USA aber gezeigt: „Wenn ihr Menschenrechtsverletzungen nicht ahndet, machen es andere.“

Niemand rechnet ernsthaft damit, dass Generalbundesanwalt Kay Nehm Ermittlungen gegen die US-Militärs aufnimmt. Das wird schon Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) verhindern. Immerhin war ihre Vorgängerin Herta Däubler-Gmelin zurückgetreten, nachdem sie die Politik von US-Präsident George Bush mit Adolf Hitler in Verbindung gebracht und das US-Justizsystem als „lausig“ bezeichnet hatte. Man darf aber gespannt sein, wie Nehm seine Untätigkeit begründen wird. Seit Inkrafttreten des Völkerstrafgesetzbuches sind in Karlsruhe nur 26 Strafanzeigen eingegangen. In keinem Fall hat Nehm bisher ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.