EU AKZEPTIERT NATIONALE REGELN, UM FUSIONEN NICHT ZU BEHINDERN
: Mitbestimmung in Kauf genommen

Die Mitbestimmung der deutschen Beschäftigten in ihren Unternehmen wird schwächer. Das haben die EU-Wirtschaftsminister für die Fälle beschlossen, in denen Unternehmen über die Grenzen hinweg fusionieren. Man hat sich auf einen Kompromiss zwischen ausgeprägter Mitbestimmung wie in Deutschland oder Schweden und der kaum existierenden Teilhabe nach spanischem Modell verständigt. „Neoliberal“, wie manche Globalisierungskritiker sie nennen, ist die EU dennoch nicht. Vom deutschen Niveau aus betrachtet, wird die Teilhabe der Arbeitnehmer zwar zurückgedrängt, für Spanien aber kann ein Zugewinn entstehen.

Auch die deutschen Beschäftigten kommen mit einem blauen Auge davon. Das erkennt selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund an. Denn die EU-Einigung besagt im Grundsatz dies: Kauft ein spanisches Unternehmen ein deutsches, dürfen die Beschäftigten auch weiterhin Sitze im Aufsichtsrat besetzen. Allerdings nur noch ein Drittel, heute ist es die Hälfte. Wer die Idee der europäischen Einigung prinzipiell für richtig hält, muss sich eingestehen, dass an solchen Kompromissen kein Weg vorbeiführt. Ebenso wenig wie Polen oder Spanien hat Deutschland ein Recht, seine nationalen Gesetze – und seien sie sozial fortschrittlicher – anderen Staaten überzustülpen.

Der Streit über die Mitbestimmung freilich war nur Nebenaspekt eines weiter reichenden Projekts der EU-Kommission. Als Sachwalter der Interessen großer Unternehmen möchte sie deren Fusionsbestrebungen unterstützen. Das führt zur weiteren Konzentration von wirtschaftlicher Macht in Europa. Wahlweise begründet die Kommission dies mit der Notwendigkeit, Arbeitsplätze zu sichern oder europäische Unternehmen im internationalen Maßstab konkurrenzfähig zu halten. Die Entwicklung zur oligopolistischen Struktur nimmt die EU-Bürokratie dabei hin – inklusive aller negativen Begleiterscheinungen wie etwa den fusionsbedingten Verlust von Jobs. Und damit haben, was die von der Politik geförderte Fusionitis angeht, die Globalisierungskritiker mit ihrem Vorwurf des Neoliberalismus wieder Recht. HANNES KOCH